Gesicht der Misstrauenskultur

Recherche Per Buch und ARD-Doku-Serie erkundet Constantin Schreiber den Alltag in deutschen Moscheen. Leider unterlaufen ihm ein paar peinliche Schnitzer

Constantin Schreiber (rechts) besuchte 20 Moscheen in ganz Deutschland Foto: NDR

von Daniel Bax

Constantin Schreiber war mal das Gesicht der „Willkommenskultur“. Für die Sendung „Marhaba“, mit der er Flüchtlingen das Grundgesetz erklärte, erhielt er den Grimme-Preis. Nun hat er sich dafür entschieden, das Gesicht der Misstrauenskultur gegen Muslime zu werden.

Etwa 2.750 Moscheen gibt es in Deutschland, die meisten davon sind sogenannte „Hinterhof-Moscheen“. Rund 20 hat der Journalist Constantin Schreiber im vergangenen Jahr besucht – eine rein zufällige Stichprobe, wie er selbst sagt. Die Ergebnisse hat er in einem Buch aufgeschrieben, das er vollmundig „Inside Islam“ betitelte. Für die ARD hat er zudem einen mehrteiligen „Moscheereport“ produziert, dessen erste, 15-minütige Folge am Montag auf tagesschau24 ausgestrahlt wurde.

Den Alltag in deutschen Moscheen erkunden zu wollen ist ehrenwert. Leider nähert sich Schreiber dem Thema aber wie ein Ethnologe aus der Kolonialzeit, der einem vermeintlich wilden und gefährlichen Indianerstamm nachspürt, was sich schon am Buchcover im Lawrence-von-Arabien-Stil zeigt. Und leider unterlaufen ihm ein paar peinliche Schnitzer.

„Es ist eine Schwelle, die nur wenige Deutsche überschreiten. Sie sind für die meisten von uns eine fremde Welt“ – so beginnt der erste Teil seines „Moschee-Reports“. Damit tritt Constantin Schreiber gleich ins Fettnäpfchen, indem er zeigt, dass die Moscheebesucher in seinen Augen keine Deutschen sein können. So exotisierend geht es munter weiter. Er klagt, dass er seine Schuhe ausziehen muss, obwohl ihm kalt ist, und fragt seine Gesprächspartner als Erstes, ob es gerecht sei, dass Männer und Frauen nicht zusammen beten. Man kann diese naive Herangehensweise erfrischend finden. Leider ist die Naivität nicht gespielt: Schreiber spricht zwar Arabisch. Aber er scheint nur wenig Vorwissen zum Islam mitzubringen, dafür aber einige Vorurteile.

Für die zweite Folge seines „Moscheereports“ suchte Schreiber mit seinem Team die Moschee und Begegnungsstätte Dar Assalam in Berlin-Neukölln auf. Nachdem der Beitrag in dieser Woche online zu sehen war, hat die Moschee jetzt angekündigt, Schreiber deshalb zu verklagen, und die ARD hat die Folge rasch wieder aus ihrer Online-Mediathek entfernt. Schreiber und seine Redaktion sollen sich auch schriftlich entschuldigt haben, sagt die Moschee.

In dem entfernten Beitrag pries der tunesische Gastprediger Abdelfattah Mourou in der Dar-Assalam-Moschee das Leben in Deutschland, weil hier jeder glauben und anziehen darf, was er will, und fragte seine deutschen Zuhörer: „Was wollt ihr noch mehr?“ Darauf ging Schreiber in seinem Beitrag aber nicht ein. Stattdessen nannte er den Prediger einen „Islamisten“, weil dieser der tunesischen Ennahda-Partei nahesteht, und dachte laut darüber nach, ob die Predigten hier wohl anders klingen, „wenn keine TV-Kameras da sind“.

Ein anschließendes Studiogespräch mit dem Freiburger Religionspädagogen Hakim-Abdel Ourghi kreiste minutenlang um eine Fehlübersetzung, die auch vom vermeintlichen Experten nicht als solche erkannt wurde. Die Moschee stellte jetzt in einer Pressemitteilung klar, dass sie nichts zu verbergen habe: alle Predigten würden „simultan ins Deutsche übersetzt, sodass sich jeder ein eigenes Bild machen“ könne

Im Buch behauptet Ourghi sogar, in arabischen Moscheen würden „häufig Sachen gesagt wie ‚Gott möge Israel vernichten‘ oder ‚Gott möge uns im Kampf gegen Christen und Juden unterstützen‘“. Schreiber selbst hat dafür bei seinen Recherchen kein einziges Beispiel gefunden, hinterfragt diese ­Behauptung aber auch nicht.

Schreiber suggeriert, dass in deutschen Moscheen Ungeheuerliches und Skandalöses gepredigt wird

Nicht, dass alles unproblematisch gewesen wäre, was Schreiber so zu Ohren kam. Zutreffend ist sicher die Beobachtung, dass die meisten Freitagspredigten, die er verfolgt hat, wenig bis kaum Bezug zum Leben in Deutschland aufweisen. Verständlich ist auch, dass Schreiber bedauert, dass viele Imame kein oder nur schlechtes Deutsch sprechen, obwohl sie zum Teil schon lange in Deutschland leben.

Unverständlich ist aber, wie Schreiber zu dem Fazit kommt, die Warnung vor dem Leben in Deutschland und einem westlichen Lebensstil habe sich durch fast alle Predigten wie „ein roter Faden“ gezogen, wie er in seinen Interviews behauptet Die Freitagspredigten, die er in seinem Buch dokumentiert, lassen diesen Schluss nicht zu. Dennoch suggeriert Schreiber, dass in deutschen Moscheen durchweg Ungeheuerliches und Skandalöses gepredigt werde. Damit zeichnet er ein Zerrbild.

Dass er in einer Zeit, in der Moscheen fast wöchentlich das Ziel von Übergriffen sind, mit seinen dramatischen Übertreibungen alles nur noch schlimmer macht, scheint Schreiber nicht zu bekümmern. Als er am Dienstag in Berlin sein Buch vorstellte, sagte er, Applaus von der falschen Seite dürfe einen „nicht davon abhalten, kritische Fragen zu stellen“. Co-Präsentator Jens Spahn (CDU) nutzte die Gelegenheit, schärfere Regeln für von Moscheen und Muslime zu fordern.

„Wer predigt dort, wer geht dorthin, was wird dort gepredigt? Welche Rolle spielen Moscheen bei der Integration von Muslimen in Deutschland?“, fragt Schreiber eingangs in seiner TV-Reportage. Das sind alles wichtige Fragen, auf die er leider wenig Antworten gibt. Was damit zu tun hat, dass es dafür nicht ausreicht, nur ein paar Freitagspredigten auf problematische Stellen abzuklopfen.