Ralf Leonhard über die drohende Schließung der Soros-Uni: Westliches Denken als Gefahr
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass der ehemalige Soros-Stipendiat Viktor Orbán die vom ungarischstämmigen Milliardär George Soros gegründete Universität aus dem Land werfen will. Schon lange lassen Orbán und seine Leute keine Gelegenheit aus, Nichtregierungsorganisationen anzugreifen, die von der Open Society Foundation des in den USA lebenden Mäzens finanziert werden.
Die im Zentrum von Budapest gelegene Central European University (CEU) ist seit einem Vierteljahrhundert ein Hort liberalen Denkens und weltoffenen Forschens. Geschaffen wurde sie als Kaderschmiede für Transformationsstaaten, die jenseits des Eisernen Vorhangs lagen oder der Sowjetunion angehörten. Waren es früher auch heutige Spitzenpolitiker der regierenden nationalkonservativen Fidesz, die sich dort mit westlichem Denken vertraut machten, so werden die Absolventen heute zunehmend als rebellische Oppositionelle angesehen. Vor allem englischsprachige Medien beginnen ihre Berichte über Ungarn gern mit dem regierungskritischen Statement eines CEU-Professors.
Angesichts einer fast handlungsunfähigen Opposition und gleichgeschalteter Medien sind es Intellektuelle und vom Ausland finanzierte NGOs, die Korruption und Machtmissbrauch aufzeigen und Demokratiedefizite kritisieren. Sie zum Schweigen zu bringen ist das Ziel der übereilt präsentierten „Lex CEU“ und eines bereits vorbereiteten Gesetzes gegen NGOs mit ausländischen Geldgebern.
Soros eignet sich als Hassobjekt, weil er mit skrupellosen Geschäften reich wurde. Meist schwingt auch ein antisemitischer Unterton mit, wenn seine Einmischung aus dem fernen New York zurückgewiesen wird. Orbán vertreibt aber mit der CEU nicht nur eine mögliche Brutstätte der Opposition. Er sorgt auch dafür, dass sich wissbegierige und weltoffene Menschen in Ungarn immer weniger zu Hause fühlen.
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