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Die merkwürdige Irrfahrt des Attentäters vom Airport Orly

FrankreichEin mehrfach vorbestrafter 39-jähriger Mann motiviert sich selbst zum Dschihadistentod

Im Gefängnis hater Kontakte mit Islamisten gehabt

PARIS taz | „Ich bin da, um zu sterben, bei Allah!“ Das waren die letzten Worte des 39-jährigen Franzosen Ziyed Ben Belgacem. Sein Wunsch, den Tod als „Märtyrer“ in der Art eines Dschihadisten zu finden, ging in Erfüllung. Er wurde im Pariser Flughafen Orly am Samstagvormittag von einer Militär­pa­trouille erschossen.

Zuvor hatte er laut Augenzeugen versucht, einem weiblichen Mitglied dieser Patrouille das automatische Famas-Sturmgewehr zu entreißen. Er soll die Uniformierte dabei mit einer Pistole am Hals bedroht haben. Die Frau leistete Widerstand, und im Handgemenge fielen beide zu Boden. Als sich der Angreifer aufrichtete, eröffneten die beiden anderen Soldaten das Feuer. Die Zeugen hörten mindestens zwei Schüsse, danach lag der Geiselnehmer tot am Boden. In seiner Umhängetasche wurden 750 Euro in bar, ein Koran, ein Kanister mit Benzin und ein Feuerzeug gefunden.

In wilder Flucht brachten sich die Leute, die sich in diesem frei zugänglichen Teil des Terminals Süd aufhielten, sogleich in Sicherheit. Alle Abflüge wurden gestrichen, Maschinen im Anflug nach Orly nach Roissy oder Beauvais umgeleitet, in bereits gelandeten Flugzeugen mussten die Passagiere danach oft stundenlang ausharren. Erst am Abend wurde der Flugverkehr wieder einigermaßen normal.

Kaum jemand zweifelt am terroristischen Motiv des Attentäters. Schon sehr früh meldeten die Medien, derselbe Mann habe zuvor in Stains, einem nördlichen Vorort von Paris, am frühen Morgen bei einer Routinekontrolle auf Polizisten geschossen und dabei eine Beamtin verletzt. Später bedrohte er die Gäste in einer ihm bestens bekannten Bar in Vitry-sur-Seine, im Süden von Paris, wo er aufgewachsen war. Auf seiner Flucht gelang es ihm, unter Gewaltandrohung ein Fahrzeug zu stehlen, das beim Flughafen Orly parkte. In einem letzten Telefonanruf hatte er seinem Vater und seinem Bruder gesagt, er habe „eine Dummheit gemacht“, und nun würden sie das Weitere aus dem Fernsehen erfahren. In der Ermittlungen wird untersucht, ob er unter Drogen stand, als er mit seinem Angriff auf die Militärs durchdrehte.

Belgacem stand in Frankreich nicht auf der Liste der wegen terroristischer Radikalisierung verdächtigten Personen. Doch er war bei der Polizei kein Unbekannter, denn er war mehrfach vorbestraft wegen Überfällen, Drogendelikten und Gewalt. Bei seinen mehrmaligen Gefängnisaufenthalten soll Belgacem Kontakte mit Islamisten gehabt haben. Bei einer Hausdurchsuchung im November 2015 wurden bei ihm jedoch keinerlei Hinweise auf eine Radikalisierung oder Kontakte zum Dschihadismus entdeckt.

Rudolf Balmer

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