GESCHICHTE Im Bürgerpark wurden innerhalb weniger Tage zwei Granaten gesprengt. Die Weltkriegsreste im Boden werden immer gefährlicher
: „Endkampf“ im Bürgerpark

„Wir wissen nicht genau, was die Kollegen schon während des Krieges und in den Jahren danach rausgeholt haben“

Andreas Rippert, Kampfmittelräumdienst

von Karolina Meyer-Schilf

Gesperrte Straßen, Wohnungen – viele BremerInnen kennen das Prozedere, wenn wieder irgendwo eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wird. Während die BürgerInnen in Turnhallen sitzen, rückt der Kampfmittelräumdienst an und entscheidet, ob vor Ort gesprengt, entschärft oder die Bombe abtransportiert werden muss, um sie fernab von bewohntem Gebiet zu sprengen.

Gleich zweimal waren Teile des Bremer Bürgerparks in den vergangenen Tagen kurzzeitig gesperrt: Der Grund war der Fund zweier Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg, die durch den Kampfmittelräumdienst direkt vor Ort gesprengt wurden.

Gerade in und um den Bürgerpark werden relativ häufig Bomben und Granaten gefunden: „Der Bürgerpark war Endkampfgebiet“, erklärt der Chef des Bremer Kampfmittelräumdienstes, Andreas Rippert. Beim Einmarsch der Briten im April 1945 verschanzte sich die Bremer Führung um den Kampfkommandanten Fritz Becker in den Bunkern an der Parkallee anstatt zu kapitulieren, was die hohe Belastung im Umkreis erklärt.

Dass so kurz in Folge gleich zwei Granaten ausgerechnet im Bürgerpark gefunden wurden, liegt aber auch an der Suchsystematik: „Immer wenn im Park etwas neu bepflanzt wird, suchen wir die betreffenden Flächen ab“, sagt Rippert. So sind etwa vor einigen Jahren auch im Zuge einer Teich-Entschlammung im Bürgerpark viele Munitionsreste geborgen worden.

Für eine systematische Suche im ganzen Stadtgebiet ist der Kampfmittelräumdienst allerdings weder personell noch finanziell aufgestellt. Die meisten Funde werden im Rahmen von Bauarbeiten oder eben Bepflanzungen gemacht, denn bevor eine geplante Baumaßnahme beginnen kann, muss immer eine Abklärung durch den Kampfmittelräumdienst erfolgen – dabei ist es egal, ob es um den Bau eines Carports, eines privaten Einfamilienhauses oder ein größeres Firmen- oder Behördengebäude geht.

Die Kosten für die Bergung und Entsorgung trägt das Land Bremen – der jeweilige Bauherr muss im Regelfall jedoch die Kosten für das Freilegen der Bombe übernehmen. Findet jemand zufällig bei Gartenarbeiten eine Granate, übernimmt ebenfalls das Land Bremen im Rahmen der Gefahrenabwehr die Kosten für Bergung und Entsorgung.

Wie viele Bomben und Granaten noch im Stadtgebiet verborgen liegen, weiß niemand so genau: Bremen wurde aufgrund seiner günstigen geografischen Lage, der Häfen und der Industrie besonders stark bombardiert. Etwa 26.000 Tonnen Bomben wurden hier im Zweiten Weltkrieg abgeworfen.

„Wir wissen nicht genau, was die Kollegen schon während des Krieges und in den Jahren danach rausgeholt haben“, sagt Rippert. Durch die kriegsbedingte Papierknappheit sei damals wenig dokumentiert worden. Auch habe man bis einige Jahre nach dem Krieg nur die Sprengbomben geborgen, so Rippert, und die vermeintlich weniger gefährlichen Brandbomben liegengelassen. Das ist heute anders: Die Brandbomben fliegen einem zwar nicht unmittelbar um die Ohren, der enthaltene Phosphor macht sie aber ebenfalls sehr gefährlich.

In den letzten Jahrzehnten hat sich zudem auch die Suchtechnik erheblich verbessert: Heute werden neben den Metalldetektoren, die im Falle eines Fundes piepen, auch Sonden eingesetzt, die entweder per Hand oder auf Wagen über die abzusuchende Fläche gezogen werden und aussagekräftige Bilder von der Bodenbeschaffenheit liefern.

Bei der Suche nach möglichen Kampfmitteln stehen Rippert und seinen KollegInnen außerdem Luftbilder der Alliierten zur Verfügung. Darauf sind – zumindest für die Profis – Bombenkrater und Granattrichter zu erkennen, aber auch Flakstellungen und Laufgräben. Daraus wiederum lassen sich dann sogenannte „Verdachtsflächen“ eingrenzen, bei denen man damit rechnen kann, fündig zu werden.

Dabei nimmt auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende das Problem eher zu als ab. Denn je länger die Kampfmittel unentdeckt unter der Erde liegen, umso mehr können die Zündvorrichtungen durch Korrosion und chemische Zersetzung Schaden nehmen. Da die Explosivkraft jedoch unvermindert fortbesteht, steigt die Gefahr einer unkontrollierten Detonation.