G-20 Vorbereitungen in Hamburg: Polizei baut Mega-Knast

In Harburg hat der Aufbau einer großen Sammelstelle für Gefangene begonnen. Die Gipfelgegner sehen darin eine echte „Kampfansage“.

Natodraht

Eine perfide Variante des Stacheldrahtes: Nato-Draht. Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Strategie der Polizei, geplanten Protesten gegen den G20-Gipfel am 7. und 8. Juli zu begegnen, nimmt Konturen an: Am Mittwoch werkelten Bereitschaftspolizisten aus Niedersachsen mit Sägen und Drahtscheren am Gelände des ehemaligen Fegro-Großmarktes an der Harburger Schlachthofstraße, um das zuletzt als Flüchtlingserstaufnahme genutzte Areal zu einer Mega-Gefangenensammelstelle (Gesa) für 400 Menschen umzubauen.

Rund um das Grundstück wurden Bäume gefällt und das Terrain wurde mit kilometerlangem Nato-Draht – einer tückisch-perfiden Variante von Stacheldraht – umzäumt. Am Eingang installierten die Beamten eine Sicherheitsschleuse. „Wir bauen zunächst den Objektschutz auf“, sagte Hamburgs Polizeisprecher Timo Zill.

In den kommenden vier Monaten wird die rund 12.000 Quadratmeter große Halle für drei Millionen Euro umgebaut. Es sollen 150 Einzelzellen in Containern entstehen und Sammelzellen für weitere 250 Festgesetzte aufgestellt werden. Da es im Juli warm sein kann, wird auch eine Klimaanlage installiert.

Es solle eine Vorzeige-Gesa entstehen, die allen rechtsstaatlichen Grundsätzen genüge und eine schnelle Abarbeitung von Haftfällen ermögliche, sagte Zill. Deshalb greife man auch auf das Know-how der bayerischen Polizei zurück, die mit Gesas viel Erfahrungen habe.

Zum G20-Gipfel werden die Präsidenten der Türkei, Chinas, Russlands und der USA, Recep Tayyip Erdoğan, Xi Jinping, Wladimir Putin und Donald Trump, erwartet.

Zur Sicherheit werden 15.000 Polizisten mit 3.000 Einsatzwagen, Wasserwerfern, Panzern und Helikoptern im Einsatz sein. Eurofighter der Luftwaffe sind in Alambereitschaft.

Zwei Groß-Demos sind während des G20-Gipfels geplant. Am Vorabend von Internationalisten und am 8. Juni von einem Bündnis von Attac über das Netzwerk „Recht auf Stadt“ bis zur DGB-Jugend.

Um die Fälle möglichst schnell zu bearbeiten, wird auf dem Areal – wenn auch durch einen Zaum getrennt – ein Schnellgericht für neun Haftrichter nebst Personal eingerichtet. Denn Ingewahrsamnahmen bedürfen laut Gesetz „unverzüglich“ einer richterlichen Überprüfung. „Wir stellen mit dem Gerichtsstandort vor Ort sicher, dass wir auch in einer Ausnahmesituation rechtsstaatliche Verfahren garantieren können“, sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne).

Entgegen ursprünglicher Planungen werden die Richter aber nicht im Bürokomplex des Ex-Fegro-Marktes residieren, sondern in Containern mit Büro-und Vernehmungsräumen neben der Halle. In weiteren Containern werden Büros für Staatsanwälte und Anwälte untergebracht. In diesem Bereich mit eigenem Eingang liegt das Hausrecht beim Präsidenten des Amtsgerichts Mitte. Da auch viele Demonstranten aus dem Ausland erwartet werden, sollen auch Container für Dolmetscher und Konsulatsangehörige aufgestellt werden.

Für den Linke-Szene-Anwalt Andreas Beuth kommt diese Aufrüstung einer „Kampfansage, wenn nicht sogar einer Kriegserklärung“ gegen die G20-Proteste gleich. Man rede den Krawall förmlich herbei, als wolle man ihn haben. „Es ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Polizei massiv freiheitsentziehende Maßnahmen plant und durch Schnellgerichte absegnen lassen will“, sagt Beuth. Denn in Hamburg gebe es theoretisch die Möglichkeit des Unterbindungsgewahrsams in einer Gesa, der bis zu zwei Wochen dauern könne und einer Haft auf vagen Verdacht gleichkomme.

Ordnen Richter bei Delikten Untersuchungshaft an, ist vom rot-grünen Senat Vorsorge getroffen worden. Bereits zum OSZE-Treffen im vergangenen Jahr ist das ehemalige Frauengefängnis Hahnöfersand eigens als zusätzliche Kapazität zu einem Untersuchungsgefängnis (UG) für 100 Gefangene umgebaut worden, sodass G20-Gegner nicht im UG am Holstenglacis untergebracht werden müssen, das sich in unmittelbarer Nähe der Sicherheitszone um den Tagungsort befindet.

Die räumliche Entfernung zum Tagungsort war auch ein Argument für den Gesa-Standort in Harburg. Für Gefangenentransporter der Polizei ist sie mit einer Abfahrt von der Wilhelmsburger Reichsstraße gut zu erreichen. Mögliche Solidaritätsaktionen hingegen könnten von der Polizei leichter unterbunden werden, da auf den Weg in der Peripherie immer die Elbe gekreuzt werden muss.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.