: Politischer Sprengstoff: soziale Lage
Bericht Der offizielle Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung soll im Frühjahr erscheinen und lässt auf sich warten
In jeder Legislaturperiode veröffentlicht die Bundesregierung eine Bestandsaufnahme der sozialen Lage in Deutschland. Das federführende Ministerium für Arbeit und Soziales sagte auf Anfrage der taz, der aktuelle Bericht befinde sich noch in der Koordinierung mit dem Kanzleramt. Danach geht er in die Ressortabstimmung, und erst wenn alle Ministerien ihn abgenickt oder Stellungnahmen abgegeben haben, kann er verabschiedet werden.
Der 655 Seiten starke erste Entwurf hatte im Dezember bereits für Aufregung gesorgt. Denn drei Passagen waren gestrichen oder entschärft worden. Etwa jene, in der vor einer „Krise der Repräsentation“ gewarnt wird. „Personen mit geringerem Einkommen verzichten auf politische Partizipation, weil sie Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert.“ Dieser Satz leuchtet zwar ein, politisch war er offenbar nicht opportun.
Welches Ministerium die Streichung veranlasst hatte, ist unklar, man munkelt, das Kanzleramt selbst habe den Rotstift angesetzt. Das von Andrea Nahles (SPD) geführte Arbeitsministerium, welches die erste Fassung verschickte hatte, wollte sich dazu nicht äußern. Es sei normal und üblich, dass Entwürfe verändert würden, sagte eine Sprecherin.
Dagegen wendet der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion Matthias W. Birkwald ein: „Wenn eine politische Bewertung, die vom Sozialministerium formuliert wird, von anderer Seite negiert und gestrichen wird, ist das ein Weg, die Wirklichkeit zu verschleiern.“ Birkwald fordert die Politiker auf, Armut nicht zu relativieren.
Man darf gespannt sein, was in der Endfassung steht, die im Parlament und bei Anhörungen besprochen wird. Birkwald fordert, dass der Bericht so rechtzeitig fertig wird, dass er noch abschließend vor der Bundestagswahl diskutiert werden kann. „Wir sind spät dran diesmal.“ Die Debatte könnte mitten im Wahlkampf und angesichts einer von Martin Schulz befeuerten Diskussion um soziale Gerechtigkeit hitzig werden.
Anna Lehmann
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen