Bayern plant Dauerhaft für Gefährder: Haft ohne Straftat

Bayern will sein Polizeigesetz superscharf machen. Schon für potenzielle Täter würde unbefristet Gewahrsam möglich.

Ein Justizbeamter vor einem Gefängnis

Glänzende Aussichten Foto: dpa

FREIBURG taz | Bayern will künftig schon bei einer „drohenden Gefahr“ Menschen präventiv einsperren. Zudem soll die bisherige Obergrenze für die Präventivhaft – 14 Tage – ersatzlos gestrichen werden. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den die bayerische Landesregierung schon vor einer Woche beschlossen hat. In der offiziellen Vorstellung des „Entwurfs eines Gesetzes zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“ gab es aber keinen Hinweis auf diese Regelungen, so dass sie von der Süddeutschen Zeitung erst jetzt entdeckt wurden.

Gefahrenabwehr ist Ländersache. Deshalb kann Bayern in seinem Polizeiaufgabengesetz (PAG) solche Regelungen einführen. Sie gelten dann natürlich nur in Bayern. Alle Landespolizeigesetze sehen schon jetzt die Möglichkeit einer vorsorglichen Inhaftierung vor, meist „Unterbindungsgewahrsam“ genannt. Zwar hat der Betroffene in diesen Fällen noch keine Straftat begangen. Die Unschuldsvermutung gilt aber nur bei der Strafverfolgung, nicht bei der Abwehr künftiger Gefahren. Hier wird der Staat durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip begrenzt.

Je nach Bundesland gilt bisher eine Obergrenze für die Präventivhaft von 2 bis 14 Tagen. Bayern lag mit 14 Tagen schon am oberen Ende, will die Obergrenze nun aber abschaffen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verweist dabei auf die Polizeigesetze von Bremen und Schleswig-Holstein, die auch keine explizite Zeitgrenze kennen. Dort gibt es, soweit ersichtlich, aber keinen Willen, langfristig Präventivhaft zu verhängen, während Bayern die Obergrenze gerade deshalb beseitigt.

Die Verhältnismäßigkeit sei in Bayern auch künftig gewahrt, verspricht Herrmann, da der Gewahrsam stets von einem Richter angeordnet und bei Bedarf verlängert werde. Außerdem ergebe sich aus dem Verweis auf die Verfahrensregeln eines anderen Gesetzes, dass beim ersten Mal maximal Gewahrsam bis zu einem Jahr angeordnet werden kann.

Zur Abwehr einer „drohenden Gefahr“

Wie bisher soll der Gewahrsam verhängt werden können, um eine unmittelbar bevorstehende Straftat zu verhindern. Indizien hierfür können Ankündigungen des potenziellen Täters sein oder dass er entsprechende Waffen mit sich führt.

Wer den Akku der Fußfessel nicht lädt, dem droht Haft

Künftig soll der Gewahrsam aber auch zur Abwehr einer „Gefahr oder einer drohenden Gefahr“ für hochrangige Rechtsgüter wie das Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung eingesetzt werden. Relevant ist hier vor allem die Ausweitung auf „drohende Gefahren“, denn normalerweise kann die Polizei nur bei einer „konkreten Gefahr“ eingreifen.

Die Kategorie der „drohenden Gefahr“ wurde im Polizeiaufgabengesetz neu eingeführt. Sie soll erstens vorliegen, wenn „das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet“, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entsteht. Als zweiten Unterfall nennt der Gesetzentwurf: dass „Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen“, das wiederum eine Gefahr bedeutet.

Ein weiterer Fall für den Gewahrsam ist ebenfalls neu: Wer eine elektronische Fußfessel durchschneidet oder seinen Akku trotz Warnung nicht mehr lädt, kann künftig auch vorsorglich inhaftiert werden.

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