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Unternehmer wollen Zwangsbeiträge abschaffen

DemokratieIn der Hamburger Handelskammer verschieben sich die Machtverhältnisse

Der Sieg der Oppo­sition in Hamburg ist ein Weckruf für andere Kammern

HAMBURG taz | In der Hamburger Wirtschaft hat sich eine Revolution ereignet. Bei der Wahl zum Plenum der Handelskammer, dem gesetzlichen Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft, hat die Opposition auf ganzer Linie gesiegt und wird wohl ein Ende der Zwangsbeiträge für Unternehmer einführen. Dabei gibt es so etwas wie eine Opposition überhaupt erst seit der vorigen Kammerwahl 2014.

Zahlreichen Vertretern des Establishments der Hansestadt wurde der Stuhl vor die Tür dieses einflussreichen Gremiums gestellt. „Nun ist zu befürchten, dass Leute das Ruder übernehmen, von denen sich die etablierte Hamburger Wirtschaft nicht mehr repräsentiert fühlen wird“, warnte das konservative Wahlbündnis „Starke Kammer. Vorfahrt für Hamburg“.

In Hamburg ist die Handelskammer das, was andernorts die Industrie- und Handelskammer ist. Sie vertritt im gesetzlichen Auftrag alle Unternehmer, die nicht in der Handwerkskammer Mitglied sein müssen. Die Mitgliedschaft ist Pflicht und kostet Gebühren – ein Punkt, der den Kammer-Kritikern ein Dorn im Auge ist.

Die Handelskammer gilt in Hamburg als eine Art Nebenregierung. Ihr Gebäude steht Rücken an Rücken mit dem Rathaus. Eine Verbindungstür führt direkt zum Senat. Die Kammer äußert sich regelmäßig zu politischen Themen: Sie warb für Olympische Spiele in der Stadt und machte Front gegen einen Rückkauf der Energienetze.

Der Unternehmensberater Tobias Bergmann, die treibende Kraft hinter der Kammer-Opposition, dankte für den „unglaublichen Vertrauensbeweis“, der seinem Bündnis „Die Kammer sind wir“ 55 von 58 Sitzen bescherte.

Das Bündnis will die Sitzungen des Plenums ab sofort öffentlich machen. In den ersten 100 Tagen will es die Abschaffung der Zwangsbeiträge beschließen, Schadensersatzansprüche wegen mutmaßlich zu üppiger Renten für Kammermitarbeiter prüfen und das Gehalt des Hauptgeschäftsführers von einer halben Million Euro im Jahr auf das Niveau des Wirtschaftssenators von 160.000 stutzen. Präses Melsheimer wies darauf hin, dass nur der Gesetzgeber die Pflichtbeiträge abschaffen könne.

Kai Boeddinghaus, Geschäftsführer des Bundesverbandes für freie Kammern, interpretierte das Hamburger Wahlergebnis als Weckruf, „insbesondere mit Blick auf die Industrie- und Handelskammern in Stuttgart und Kassel, wo die dort vertretenen Reformer bis heute noch völlig ausgegrenzt werden“.

Gernot Knödler

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