piwik no script img

Tennis gegen die Wand

TurnierBei der Deutschen Meisterschaft im Squash in Hamburg gibt es kein großes Drama. Die Spieler sind konzentriert, wollen die Züge der Gegner wie in einem Schachspiel erahnen und müssen dann sehr schnell sein

Schnelle Bälle: Merle Winkler (rechts) bei der Deutschen Meisterschaft im Squash Foto: Miguel Ferraz

von Christian Görtzen

Plopp, plopp, plopp – so geht das unentwegt. Aus allen Richtungen ist dieses Geräusch zu hören. Nur selten wird diese meditative Grundakustik bei der Deutschen Squash-Meisterschaft im Sportwerk Hamburg von kurzen Mitteilungen der Schiedsrichter durchbrochen, weil es auf einem der elf Courts gerade 10:8 steht und auf einem anderen 2:4. Jubelausbrüche von Spielern gibt es nur ganz selten. Das ist anders als beim Tennis, wo oftmals viel Drama und Affektiertheit dabei ist und die Zuschauer zwischen den Ballwechseln kreischen.

Beim Squash sind die Spieler vor den Ballwechseln sehr konzentriert. Gespielt wird in einem Raum, der von vier Wänden umgeben ist. Ziel ist es, den Ball mit dem Schläger so gegen die Wände zu schmettern, dass der Gegner den Ball nicht erwischt, bevor er ein zweites Mal auf den Boden aufkommt.

Dabei geht es darum, die Schläge des Gegners zu erahnen. Das ist ein bisschen wie Schachspielen in einer großen Glasbox – im dauergehetzten Zustand. Der Schweiß rinnt bei den Sportlern schon nach wenigen Minuten und so riecht es auf der Anlage auch.

Auf dem neuen, 100.000 Euro teuren Glascourt, dem Centre Court, flitzt gerade die 20 Jahre alte Merle Winkler vom gastgebenden Verein Sportwerk Hamburg hin und her, um den Einzug in die zweite Runde zu schaffen. Dies ist ihrer Zwillingsschwester Leonie kurz zuvor schon gelungen, und nun hofft sie neben dem Court, dass ihre Schwester gewinnt.

Merle schlägt im Duell mit Lisa Seidensticker vom Floppy’s SC Bielefeld den kleinen, hohlen Gummiball mal hart, mal sanft gegen die Wand, versucht ihre Gegnerin mit Longline-, Crossschlägen oder Stopps auszuspielen – ohne Erfolg. Nach einer halben Stunde hat sie mit 2:11, 4:11, 8:11 verloren. Am Abend scheitert auch Leonie Winkler in der zweiten Runde mit 2:11, 2:11, 5:11 an der Münchnerin Sina Wall. Bei der Meisterschaft landet Leonie letztlich auf dem 15. Platz, Merle Winkler auf dem 19.

Der Weg nach oben in der deutschen Rangliste ist schwierig, solche Enttäuschungen wie bei der Meisterschaft gehören dazu. Auf die Freude an ihrem Sport hätten solche Misserfolge aber keinen Einfluss, sagen sie. Bis zur U15 spielten die Schwestern noch Fußball beim HSV Barmbek-Uhlenhorst. Über ihren Bruder Julius sind sie zum Squash gekommen. „Wir haben zuerst ordentlich verloren“, sagt Leonie Winkler. „Ja, daran haben wir ziemlich geknabbert,“ ergänzt Merle Winkler. „Unser Vater hat uns aufgebaut.“

Dass sie erst recht spät, mit 15 Jahren, mit Squash begonnen hätten, sei im Rückblick natürlich schade, lasse sich aber nicht mehr ändern. „Ich glaube, dieser Rückstand ist für uns aufholbar“, sagt Merle Winkler. Ihre Faszination für den Sport drückt ihre Schwester so aus: „Squash, das ist richtig viel Power, das ist Schnelligkeit und Energie.“

Historiker vermuten, dass Squash in einem Londoner Gefängnis erfunden wurde, als Insassen mit Bällen gegen Kerkerwände schlugen

Die Spielerinnen wünschen sich, in ihrer Disziplin einmal an den Olympischen Spielen teilzunehmen – noch ist das nur ein Traum, denn Squash ist nicht olympisch. Zuletzt misslang die Kampagne für die Spiele 2020 in Tokio. Das Ziel des Weltverbandes ist die Aufnahme ins Programm für 2024.

Obwohl es die Verbreitung in Fitness-Studios anders vermuten lässt, ist Squash eine Sportart mit langer Tradition. Manche Sporthistoriker glauben, dass Squash um 1800 in einem Londoner Gefängnis, dem Fleet Prison, erfunden wurde. Dort sollen sich Häftlinge durch das Schlagen von Bällen gegen enge Kerkermauern ein bisschen abgelenkt haben.

Heutzutage gehen allein in Deutschland knapp zwei Millionen Menschen gelegentlich dem Sport nach – zumeist als Hobby. Leben lässt es sich davon nur, wenn man zur nationalen Spitze zählt und über Sponsoren verfügt.

Die Hamburgerin Jacqueline Lewerentz vom SC Altona versuchte jüngst durch ein Schreiben auf einer Online-Kontaktfläche für Sportler und Unternehmen, Unterstützer zu finden. „Das kostet halt alles, die Startgebühren, Bälle, Schläger, Griffbänder und dann vor allem die Fahrten zu den Turnieren und die Übernachtungen“, sagt die 31-jährige Gastronomie-Angestellte, die bei der deutschen Meisterschaft den 13. Platz belegt hat. Auf eine Antwort auf ihr Schreiben wartet sie noch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen