: Sicheren Schrittes ins Abseits
Israel/USA Die Abkehr vom Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung in Nahost ist Musik in den Ohren der Siedlungsfanatiker. Aber sie schafft ein gefährliches politisches Vakuum
Aus Jerusalem Susanne Knaul
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte den Auftrag der Siedlerpartei für seinen Besuch in Washington schon erfüllt, bevor er überhaupt mit Donald Trump zusammentraf. Das Ziel zweier Staaten für die beiden Völker sei nicht länger heilig. Die Modalitäten eines Friedens müssten unter den Parteien vor Ort ausgehandelt werden, hatte das Weiße Haus verkündet. Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei, twitterte euphorisch über den „großen Tag für Israelis und vernünftige Araber“. Es werde „keinen dritten palästinensischen Staat“ neben Jordanien und Gaza geben. Ginge es nach Bennett, würde Israel das Westjordanland gleich annektieren.
Die Zweifel an der Zweistaatenlösung kommen einer Kehrtwende der US-Politik gleich. Sie stehen im Gegensatz zur offiziellen israelischen Position. In Jerusalem gilt offiziell noch die Grundsatzrede von Netanjahu vor knapp acht Jahren, als er seine „Vision“ umriss, in der „zwei Völker frei, Seite an Seite, in Freundschaft und gegenseitigem Respekt“ leben. Jedes Volk habe „seine eigene Flagge, seine eigene Nationalhymne, seine eigene Regierung“.
In Washington wich Netanjahu der Frage aus, wie er es mit der Zweistaatenlösung halte. Sicher sei, dass Palästinenserpräsident Mahmud Abbas „andere Vorstellungen“ von einem palästinensischen Staat habe als er selbst. Für die Palästinenser gibt es keine Alternative. „Die einzige Lösung ist die Gründung eines Staates Palästina in den Grenzen von 1967“, erklärte Dschibril ar-Radschub, politischer Berater des Palästinenserpräsidenten. Die von Netanjahu aufgeworfene Idee eines „Staates minus“ nannte Radschub „Unsinn“.
So eilig wie der Siedlerpartei ist es dem israelischen Regierungschef nicht damit, das Westjordanland zu annektieren. Stärker als der Konflikt mit den Palästinensern drückt Netanjahu die Iran-Frage. Für Israel geht es nicht nur um das Atomabkommen, sondern auch um die Rolle Irans in Syrien. Man sehe „die Gefahren und die Möglichkeiten der Region“ ganz ähnlich, meinte Netanjahu im Vorfeld seiner Reise in die USA. Teheran finanziert seine militärischen Handlanger der Hisbollah, die Seite an Seite mit den syrischen Truppen gegen die Rebellen kämpfen. Eine dauerhafte Präsenz Teherans auf syrischem Terrain will Netanjahu auf keinen Fall dulden. Vorbeugend klopfte er denn auch schon einmal bei Trump an, ob die USA nicht endlich die Golanhöhen als Teil Israels anerkennen wollten. Israel hatte die Golanhöhen im Verlauf des Sechstagekrieges vor 50 Jahren von Syrien erobert und 1981 annektiert.
Netanjahus Zögern, sich den veränderten Ton im Weißen Haus zunutze zu machen, um die Vision von Großisrael voranzutreiben, liegt für Jakob Amidror, ehemals Nationaler Sicherheitsberater, am Iran und den von Teheran finanzierten Terrorbewegungen. „Nicht nur die USA und Israel vertreten hier gemeinsame Interessen“, meinte Amidror. Auch zahlreiche sunnitische Staaten fühlten sich vom Iran bedroht.
Für Israel ergebe sich daraus eine „enorme Chance“ für neue Allianzen mit den sunnitischen Staaten. Die USA könnten Israel „die Tür aufhalten“. Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien signalisierten grundsätzlich Bereitschaft zur Kooperation, sie seien jedoch „Gefangene ihrer eigenen Propaganda“ für Palästina. Ein Zeichen des guten Willens von Israels Regierung gegenüber den Palästinensern könne deshalb hilfreich sein. Mit den moderaten arabischen Staaten an der Seite werde es für Israel leichter sein, Kompromisse mit den Palästinensern zu finden.
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