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Hummer vor demVerwaltungsgericht

Tierschutz Eine Metro-Filiale erhält 15 Auflagen vom Bezirksamt Spandau und klagt dagegen

Für einen Moment verliert der Vorsitzende Richter Christian Oestmann seine Distanz: „Sie wollen am liebsten, dass gar keine Hummer verkauft werden“, sagt er zur Amtstierärztin Diana Plange. Die bestätigt: „Ich will, dass die Tiere nicht lebend gehandelt werden dürfen, das ist die größte Quälerei!“

Um dieser Einhalt zu gebieten, überzog die Mitarbeiterin des Bezirksamts Spandau die in der Nonnendammallee ansässige Metro-Filiale mit einem 15 Punkte umfassenden Auflagenkatalog. Sollte dieser nicht eingehalten werden, drohe ein Zwangsgeld von 1.000 Euro. Die Metro ihrerseits bekundete, einige der Auflagen bereits im eigenen Interesse einzuhalten, im Übrigen aber seien die Forderungen überzogen und rechtswidrig. Außerdem sei wissenschaftlich nicht bewiesen, dass die Tiere Schmerzen empfinden. Sie klagte gegen die Auflagen vor dem Berliner Verwaltungsgericht.

„Das ist für uns kein alltägliches Thema“, so leitete der Vorsitzende die Verhandlung ein und dämpfte gleichzeitig die Erwartungen: Es gehe nicht darum, ob Hummer überhaupt verkauft werden dürfen, auch nicht darum, ob es tierschutzgerecht sei, Hummer in siedendem Wasser zu töten. Es gehe nur darum, den Schlachttieren vermeidbares Leiden zu ersparen. Unter diesem Aspekt und beraten von Jan Wolter, dem Vizepräsidenten der Tierärztekammer und Experten für Krebstiere, hielten die Richter lediglich zwei der strittig gebliebenen Auflagen für sinnvoll: Zum einen müssten den Tieren Rückzugsmöglichkeiten geboten werden, auch wenn dies einen erhöhten Reinigungsaufwand bedeute. Zum anderen müsse jeder Hummer ein Mindestplatzangebot von der Größe eines halben DIN-A4-Blattes erhalten.

Weitere Forderungen, wie die nach einer 60-prozentigen Verdunkelung des Wasserbeckens, damit die lichtscheuen Tiere nicht von Reflexen in Panik versetzt werden, erkannte die Metro bereits ohne gerichtliche Entscheidung an. Man habe auch selbst ein Interesse, tote, kranke und verletzte Tiere auszusondern.

Für völlig überzogen hielten die Richter die Forderungen bezüglich der Wasserqualität: So forderte das Bezirksamt beim Nitrit und Nitrat maximale Gehalte, die selbst in der Natur „bestenfalls in einem Bach“ vorkommen würden, so der Sachverständige. Andere Parameter hatte die Amtstierärztin falsch eingeschätzt: So war ein viel zu geringer Sauerstoffwert gefordert, aber eine viel zu hohe Salzkonzentration toleriert worden.

Grundsätzlich begrüßte das Gericht die Forderung nach Mindeststandards für Schlacht-tiere, hatte jedoch kein Verständnis für das Vorgehen des Spandauer Bezirksamtes: Es sei die Aufgabe der Behörde und nicht die der Metro, die Wasserqualität im Hummerbecken zu kontrollieren. Auch könne die Bezirkstierärztin so nicht die Handels- und Schlachtbedingungen verändern wollen: „Sie sind nicht der Gesetzgeber.“ Vor dem Oberlandesgericht wird es wohl eine Berufungsverhandlung geben. Uta Eisenhardt

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