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Plaste in der Paste

Beauty In konventionellen Cremes und Peelings steckt häufig Mikroplastik. Wer das meiden will, hält sich an Naturkosmetik

von Kristina Simons

Es ist wie so oft mit den freiwilligen Selbstverpflichtungen der Industrie: Nur wenige Unternehmen halten sich daran. Nachdem der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) im Jahr 2013 erstmals seinen Einkaufsratgeber „Mikroplastik – unsichtbare Gefahr“ veröffentlicht hatte, verpflichteten sich viele Kosmetikhersteller, bereits ab Ende 2014 auf Kunststoffe in ihren Produkten zu verzichten. Auch die Mitglieder des Verbands Cosmetics Europe sagten im Oktober 2015 zu, bis 2020 kein Mikroplastik mehr in ihren Produkten zu verwenden. Passiert ist seitdem wenig.

Wegweiser

BUND-Einkaufsratgeber Mikroplastik unter www.bund.net/mikroplastik

Kostenlose App für Inhaltsstoffe in Kosmetika: www.haut.de

Was haben diese Kunststoffe überhaupt in Pflegeprodukten zu suchen? Als Pulver, Granulat oder flüssige Lösung soll Mikroplastik den Reinigungseffekt oder die Konsistenz von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten verbessern. Es handelt sich dabei um synthetische Polymere in unterschiedlichen Größen und Formen – von wenigen Millimetern bis in den Bereich von Nanometern. Peelings, Duschgel, Shampoo, Zahnpasta, Cremes und dekorative Kosmetik wie Make-up können Kunststoff mit einem Gehalt von weniger als 1 bis zu mehr als 90 Prozent enthalten.

Bislang verzichtet keiner der 30 weltweit umsatzstärksten Kosmetikhersteller komplett auf Kunststoffe. Das ergab eine entsprechende Befragung der Umweltorganisation Greenpeace im letzten Sommer. Ein Problem dabei sei, dass jeder Hersteller selbst definiere, was er unter Mikroplastik verstehe, auf welche Produkte sich der Verzicht beziehe und in welchem Zeitrahmen er umgesetzt werde, so Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace. Viele Hersteller erkennen überhaupt nur Polyethylen (PE) als Mikroplastik an. Auch die „Mikroplastik-Studie 2016“ der Verbraucherplattform Codecheck hat in Kooperation mit dem BUND aufgedeckt, dass sich in konventioneller Kosmetik nach wie vor viele Kunststoffe finden. Untersucht wurden rund 103.000 Kosmetikprodukte im Vergleich der Jahre 2014 und 2016. „Der bekannteste Mikroplastikstoff Polyethylen ist beispielsweise nach wie vor in jedem dritten Gesichtspeeling enthalten“, heißt es in der Studie. Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes (UBA) werden in Deutschland pro Jahr etwa 500 Tonnen Mikroplastik allein aus diesem Kunststoff in kosmetischen Mitteln verwendet. Zudem habe Mikroplastik nicht nur Dutzende Namen, sondern stecke auch in Dutzenden Produkten, so die Studie weiter. „Unter anderem als Nylon-12 in Make-ups oder als Acrylates Copolymer in Duschgelen.“ Der BUND stuft diese und weitere Stoffe auf Basis wissenschaftlicher Definitionen jedoch ebenfalls als Mikroplastik ein und fordert ein EU-weites gesetzliches Verbot, das außer Polyethylen auch weitere Mikroplastikstoffe einbezieht. Für Verbraucher ist es zudem gar nicht so einfach zu erkennen, hinter welchen Begriffen und Abkürzungen in den Inhaltslisten sich Mikroplastik verbirgt. Deshalb veröffentlicht der BUND eine entsprechende Liste in seinem Plastik-Einkaufsratgeber. „Wie es auch ohne Mikroplastik geht, zeigen die Naturkosmetikhersteller. Deren zertifizierte Produkte sind garantiert frei davon und stellen eine empfehlenswerte Alternative dar“, sagt Thilo Maack von Greenpeace. Auch BUND-Meeresschutzexpertin Nadja Zie­barth rät zu zertifizierter Naturkosmetik. „Sie ist frei von erdölbasierten Substanzen und somit frei von Mikroplastik.“

Mikroplastik ist weniger für gesunde Haut problematisch als für die Natur

Zwar hält das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) „nach jetzigem Kenntnisstand ein gesundheitliches Risiko für Verbraucher für unwahrscheinlich“. Schließlich seien die in Peelings oder Duschgelen verwendeten Mikrokunststoffpartikel größer als ein Mikrometer und bei dieser Partikelgröße sei bei normalem Gebrauch eine Aufnahme über die gesunde und intakte Haut nicht zu erwarten. Doch beim Waschen gelangen die Kunststoffe ins Abwasser und schließlich in Flüsse und Meere, wo sie von Fischen und anderen Meerestieren gefressen werden. Denn Muscheln, Würmer oder Fische verwechseln die Partikel mit Nahrung. Dadurch gefährde Plastik unsere Ökosysteme, warnt Ziebarth. „Die Auswirkungen von Mikroplastik auf Meeresorganismen reichen von physiologischen Störungen über Tumorbildung bis hin zu erhöhten Sterberaten.“ Zudem nehmen Meereslebewesen mit dem Mikroplastik auch Schadstoffe auf. Laut BUND sind daran bis zu tausendfach höhere Schadstoffkonzentrationen gefunden worden als im Umgebungswasser. „Am Ende landen diese Giftstoffe dann vielleicht sogar wieder zusammen mit dem Fisch auf unserem Teller.“

Kein Wunder also, dass 83 Prozent der von TNS Emnid im Auftrag von Greenpeace Ende 2016 befragten mehr als 1.000 Verbraucher von den Kosmetikherstellern erwarten, auf Kunststoffe in ihren Produkten zu verzichten. Fast drei Viertel sprachen sich sogar für ein generelles Verbot von Plastik in Kosmetik- und Körperpflegeprodukten aus. Dass Natur und Natürlichkeit für Verbraucher auch im Kosmetikbereich immer wichtiger werden, zeigt sich auch an den Umsatzzahlen der Naturkosmetikbranche: Laut Marktforschungsinstitut Information Resources stiegen sie allein zwischen September 2015 und September 2016 um 9,9 Prozent oder gut 25 Millionen Euro. Zusammen mit naturnaher Kosmetik macht Bio- und Naturkosmetik mittlerweile rund 15 Prozent des deutschen Kosmetikmarkts aus (Artikel rechts).

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