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Regierung plant Passentzug bei drohender Beschneidung

Genitalverstümmelung 48.000 betroffene Frauen leben in Deutschland, hat eine Studie ergeben

BERLIN taz | Tiranke Diallo hat gerade einen neuen Beruf gelernt: Change Agent. Als solche klärt die junge Frau aus Guinea, die seit 30 Jahren in Deutschland lebt, über ein schweres Verbrechen an Frauen auf: Genitalverstümmelung.

In Guinea sind Annahmen zufolge 96 Prozent aller Frauen beschnitten. Weltweit schätzt die Weltgesundheitsorganisation die Zahl der betroffenen Frauen in Ländern Afrikas, des Nahen Ostens und Asiens auf rund 170 Millionen. Genaue Zahlen sind schwierig zu erheben, weil die Beschneidungen meist heimlich durchgeführt werden.

Auch die Zahl der betroffenen Frauen in Deutschland konnte bislang nur grob geschätzt werden. Jetzt gibt eine erste nationale Studie, die die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes (TdF) im Auftrag des Familienministeriums durchgeführt hat, genauer Auskunft. Danach leben hierzulande rund 47.300 Frauen, die als Mädchen oder Teenager an ihren Genitalien verstümmelt worden sind.

Gewöhnlich werden die Eingriffe bei kleinen Mädchen und jungen Frauen zwischen 16 und 18 Jahren durchgeführt, mitunter aber auch schon an Babys im Alter von 3 bis 4 Monaten, sagte TdF-Geschäftsführerin Christa Stolle am Montag bei der Präsentation der Studie. Die Organisation in Berlin kämpft seit 35 Jahren unter anderem gegen die Beschneidung von Mädchen und Frauen. „Genitalverstümmelungen verletzen das Recht auf Unversehrtheit des Körpers“, sagte Stolle.

Bei dem Eingriff wird die Klitoris zum Teil oder ganz abgetrennt. In manchen Ländern werden die Schamlippen abgeschnitten. „Viele Frauen haben ihr Leben lang schwere Schmerzen beim Wasserlassen“, sagt Diallo: „Sie denken, das muss so sein, weil sie es nicht anders kennen. Dabei sind das Folgen der Verstümmelung.“ Andere Frauen sind aufgrund von Infektionen unfruchtbar.

Die in Deutschland lebenden betroffenen Frauen kommen vor allem aus Ägypten, Eritrea, Somalia, Äthiopien, Mali und Irak. Die Zahl der geflüchteten Frauen, in deren Herkunftsländern Genitalverstümmelungen praktiziert werden, ist laut Studie in den vergangenen zwei Jahren um 40 Prozent gestiegen.

In Deutschland und in vielen anderen Ländern der Welt ist Genitalverstümmelung verboten und wird bestraft. Viele MigrantInnen in Deutschland, die aus Ländern kommen, in denen das „kulturelle Ritual“ praktiziert wird, wissen das – und bringen ihre Töchter dafür ins Heimatland. Um sogenannte „Ferienbeschneidungen“ zu vermeiden, sollen Eltern und Verwandten gefährdeter Mädchen künftig die Pässe abgenommen werden können. Das geplante Gesetz soll im Frühjahr in Kraft treten. „Für den Passentzug braucht es konkrete Verdachtsmomente“, sagte Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Familienministerium.

Dafür, dass es erst gar nicht so weit kommt, sollen jetzt Change Agents wie Tiranke Diallo sorgen, die von TdF ausgebildet werden. Gerade hat Diallo mit 15 somalischen Frauen aus Berlin und Brandenburg lange über Genitalverstümmelung gesprochen. Sie hat ihnen erklärt, dass die für nichts gut seien, sondern im Gegenteil die Eingriffe schaden. Bei den Gesprächen müsse man sehr behutsam sein, sagte Diallo: „Genitalverstümmelung ist ein Tabuthema.“

Auch in Guinea ist Diallo unterwegs. In einer Kita, die TdF betreibt, arbeitet Diallo mit den Eltern der Mädchen, die dort betreut werden.

Simone Schmollack

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