Bildchen sammeln für YouTube-Fans: Make Print great again

Magazinmacher Oliver Wurm hat ein Sammelalbum für YouTube-Stars auf den Markt gebracht. Sticker statt Smartphone – geht da was?

Sammelbilder von Fußballern liegen auf eiem Sammelalbum

Panini, mal anders: Gesammelt werden diesmal keine Fußballer, sondern selbst auserkorene Webstars Foto: dpa

Diese Idee ist vor allem eines: schizophren. Da glauben Geschäftsleute doch tatsächlich daran, dass Teenager ihre Taschencomputer aus der Hand legen; dass sie statt zum Smartphone nun zum Sticker greifen werden – wie damals, als es Mädchen noch in Fachgeschäfte für bunte, oft auch noch glitzernde Aufkleber trieb, damit sie ihre Sammelalben mit neuem Klebestoff füllen konnten, und als Jungs auf dem Pausenhof noch mit Sammelbildchen von Fußballern dealten.

Helfen sollen bei dieser Renaissance der klebrigen Geschäfte ausgerechnet die sogenannten Stars, die auf YouTube Millionen Teenager begeistern.

Oliver Wurm – selbst schon lange kein Teenager mehr – hat mit zwei Kollegen das Sammelalbum „Webstars 2017“ auf den Markt gebracht: ein Panini-Album mit den Hamburger Rocket Beans, mit Stars wie dem „Heimwerkerking“ Fynn Kliemann oder den fußballverrückten Freekickerz, die mitunter auch Herangewachsene abonnieren. Vor allem aber die Smartphone-Generation soll sie – portioniert in kleine Tütchen – am Kiosk kaufen.

In Teenagern eine analoge Sammelleidenschaft wecken zu wollen ist freilich schon allein ein heikles Unterfangen. Die Sammelheft-Macher um Oliver Wurm haben indes noch eine Hürde: Heft und Tütchen müssen im Handel besonders sichtbar sein.

Die Idee „Sammelheftchen“

„Ein 12-Jähriger hat eher nicht den Mut, aktiv nachzufragen, ob der Händler die Sticker denn vielleicht noch unausgepackt unter dem Tresen liegen hat“, sagt Wurm. „Aber genau an dieser Schnittstelle entscheidet es sich.“

Letztlich muss vor allem die Idee „Sammelheftchen“ überzeugen, und mit der hat Wurm in den vergangenen Jahren einen schier irren Erfolg gehabt, so abwegig sie in dieser Zeit auch klingen mag. Wurm – einst Sportbild, Max und Player – hat 2009 mit einem Partner „Hamburg sammelt Hamburg“ gestartet, mit Bildchen von Udo Lindenberg über Franzbrötchen und Judith Rakers bis Helmut Schmidt.

Ein quasi Panini-­Album mit dem „Heimwerkerking“ oder den „Freekickerz“

Es folgten fast 40 weitere Kollektionen, von „Kassel sammelt Kassel“ bis „Ostfriesland sammelt Ostfriesland“, fast alle zusammen mit einem Verein oder einer Zeitung, von Bild bis Hessisch/Niedersächsische Allgemeine. Und fast alle Projekte machten Gewinn.

Die Sammelheftchen werfen seit knapp acht Jahren sogar so viel Geld ab, dass Wurm nebenbei Hochglanz-Fußballmagazine startet wie die Reihe Fußballgold. Er hat aber auch das Neue Testament als mehr als 200 Seiten starkes Magazin inszeniert.

Während er viele Projekte mit Werbung oder Partnerschaften absichert, laufen Wurm und Konsorten mit den „Webstars“ ins persönliche Risiko. „Wir mussten nicht an unsere Lebensversicherungen ran, aber alles in allem haben wir Initialkosten im sechsstelligen Bereich“, berichtet Wurm. „Da muss man als kleines Büro auch zweimal drüber schlafen, bevor man die Druckmaschinen anwirft.“ Am Ende haben sie dann aber doch 800.000 Tütchen – also vier Millionen Bildchen – gedruckt, dazu 100.000 Sammelalben.

Ein Dutzend Absagen

Noch liegen ihnen keine Verkaufszahlen vor. Weil über ihr neues Projekt aber schon jetzt so intensiv berichtet wurde wie über kein anderes zuvor, spüren sie Zuversicht – und haben bereits 500.000 Tütchen nachdrucken lassen, damit es auch ja nicht zu Engpässen kommt.

„Jetzt hoffen wir, dass das Bauchgefühl uns nicht täuscht“, sagt Wurm. Immerhin: Die YouTube-Stars wurden bereits in Österreich und der Schweiz ge­ordert – obwohl einige Prominenz wie Merkel-Interviewer LeFloid und Schmink-Ratgeberin Bibi nur erwähnt, aber nicht als Sammelbild in Umlauf gebracht werden.

„Es gab rund ein Dutzend Absagen“, erzählt Wurm, der auf Lizenzen angewiesen ist. Manche hätten eine Präsenz in dem Album „als reinen Business-Case betrachtet“ und Honorar verlangt. Dafür habe den Machern aber das Budget gefehlt. Letztlich seien sie aber auch auf etwa 200 Zusagen kommen: „Einige Managements haben so schnell geantwortet, dass wir sicher sind, dass die Künstler selbst die Anfrage nie gesehen haben.“

Ja, das alles wirkt ziemlich skurril.

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