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Fight for your right to party

SUBKULTUR Im Buch „Zur Transformation des Alternativen“ jammert man nicht übers Clubsterben, sondern gibt Handlungsanweisungen, um alternative Orte aufrechtzuerhalten. Etwa das „Rosi’s“ in Friedrichshain

Was wird hier gleich passieren? Und wie lange hält Antje Øklesund durch? Foto: Frank F./Antje Oklesund

von Andreas Hartmann

Noch steht das Gebäude, das einst den Club Antje Öklesund in Friedrichshain beherbergte. Hajo Toppius, dessen Büro auf der anderen Straßenseite des Geländes liegt, auf dem der Veranstaltungsort untergebracht war, hat „einen guten Blick auf den Hof“, wie er sagt. Wenn die Bagger irgendwann anrollen werden, um ihr Werk der Zerstörung tatsächlich zu vollenden, wird er das garantiert mitbekommen.

Wenn man sich mit Toppius unterhält, der im Kollektiv mit anderen das Antje Öklesund betrieben hat, versucht der erst gar nicht, den Frust zu verbergen, der sich bei ihm in den letzten Jahren aufgestaut hat. Er und seine Mitstreiter haben alles versucht, das Antje Öklesund, einen chaotisch organisierten, ziemlich beliebten Schuppen, in dem man sprichwörtlich durch ein Loch in der Wand musste, um in den Konzertsaal zu kommen, eine Perspektive zu geben. Obwohl die Investorengruppe CG das Gelände gekauft hatte, um darauf Mietwohnungen zu errichten.

Man führte Gespräche mit den neuen Besitzern des Grundstücks und rang ihnen tatsächlich die Zusage ab, den Erhalt des kleinen Clubs in irgendeiner Form gewährleisten zu wollen. Im Sommer 2015 fand die Abschiedsparty des Antje Öklesund statt, aber gleichzeitig verkündeten die Macher des Clubs optimistisch: Es wird ein Abschied auf Zeit sein.

Nun, eineinhalb Jahre später, scheint klar zu sein: Sie haben sich getäuscht. Noch will Toppius die endgültige Niederlage seines Kompromissversuchs nicht öffentlich eingestehen, aber nein, gut sehe es nicht aus. David hat wahrscheinlich gegen Goliath verloren, auch wenn beide gerade noch ein wenig miteinander rangeln.

Er und seine Leute seien gewarnt worden, sagt Toppius, sich mit solchen Leuten einzulassen. Er, der mit Gleichgesinnten im „Bureau für Kulturangelegenheiten“ Kulturprojekte in Berlin entwickelt, wusste natürlich selbst, dass es schwer werden würde, seine Ideale eines nichtkommerziellen Kulturraums mit den Vorstellungen von Investoren unter einen Hut zu bekommen. Aber er hat es trotzdem versucht und will das nicht bereuen. Auch wenn in seinem Büro Scheiben eingeworfen wurden und ihm seitens der linken Szene, die gegen ihre Vertreibung aus der Rigaerstraße mobilisiert, vorgeworfen wurde: „Das Antje Öklesund hat sich kaufen lassen.“

Aus dem Erfahrenen zu lernen, das hat Toppius sich irgendwann bei den zermürbenden Verhandlungen mit der Immobilienfirma, „die sich schon bald an keinerlei Absprachen mehr gehalten hat“, vorgenommen. Dem Scheitern will er am Ende doch noch etwas Positives abgewinnen. Er und andere Leute aus dem Umfeld des Antje Öklesund haben ein Begleitprojekt initiiert, das die Abwicklung seines Clubs dokumentiert, gleichzeitig aber auch weit über dessen trauriges Schicksal hinausweisen will. „Zur Transformation des Alternativen“ nennen sie ihr stadtaktivistisches Projekt, das nicht nur das übliche Gejammer über ein Clubsterben in Berlin anstimmen, sondern Handlungsanweisungen liefern möchte. Darüber, wie man die letzten verbliebenen Orte in Berlin, die nicht nur nach ökonomischen Logiken funktionieren wollen, eventuell doch noch retten kann. Das „Rosi’s“ in Friedrichshain, das als nächster Ausgehladen im Kiez von Investorenträumen bedroht sein könnte, wie Toppius glaubt, könne die gewonnenen Erkenntnisse vielleicht schon ziemlich bald produktiv weiterverwenden.

Panels zur Stadtentwicklung und zur Verdrängung subkulturellen und widerständigen Treibens aus Berlins Innenstadt hat das vom Musicboard Berlin getragene Projekt bereits veranstaltet und ein kleines Büchlein herausgegeben. In diesem erzählen Macher Berliner Off-Läden vom Schokoladen bis zum Ausland über ihre Existenzkämpfe und über ihre Träume und Vorstellungen, die sie mit ihren selbstverwalteten Orten verbinden.

Nun erscheint der zweite Teil des Buchprojekts: ein opulenter Wälzer im Coffeetable-Format, aufwendig designed, ex­trem umständlich zu lesen und kaum lektoriert. Einfach mal gemacht, unperfekt und doch von eigenwilliger Schönheit. So wie sich Toppius und seine Geistesverwandten ihre Kulturräume vorstellen, so ist ihnen auch ihr neues Buch geraten, das vollgepackt ist mit Interviews, die mit Architekten, Stadtplanern und -aktivisten geführt wurden. Es ist ein Buch, das David zeigen soll, was er beim nächsten Konflikt besser machen kann.

„Mit allen reden!“ – „Investoren verpflichten!“ – „Protest organisieren!“: Jede der Kapitelüberschriften wurde mit einem Ausrufezeichen versehen, was den appellativen Gestus des Buchprojekts verdeutlicht. Der Kampf ist verloren, der Kampf geht weiter.

„Zur Transformation des Alternativen“, Buchrelease-Party heute 20 Uhr im Crack Bellmer, Revaler Str. 99

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