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Istanbuler Attentäter gefasst

Türkei Der Mann, der in der Silvesternacht 39 Menschen in einem Istanbuler Club tötete, wird gestellt. Der Usbeke ist geständig. Fahndung nach Unterstützern geht weiter

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Der mutmaßliche Attentäter, der in der Silvesternacht im Nachtclub Reina in Istanbul 39 Menschen tötete, ist gefasst. Nach gut zwei Wochen Großfahndung wurde er in der Nacht von Montag auf Dienstag in Esenyurt, einem westlichen Vorort von Istanbul, festgenommen.

Bei dem Attentäter soll es sich um den 34 Jahre alten Usbeken Abdulgadir Mascharipow handeln, der anhand von Fingerabdrücken zweifelsfrei als Täter identifiziert worden sei. Nach Angaben des Gouverneurs von Istanbul, Vasip Sahin, hat er das Attentat auch gestanden.

Nach allem, was man bisher weiß, ist Mascharipow, angeblicher Kampfname „Abu Mohammed Koharssani“, ein erfahrener islamistischer Kämpfer, laut Sahin „ein gut trainierter Terrorist“. Seine Karriere soll er in der usbekischen Befreiungsfront INU gestartet haben, dann in Afghanistan bei den Taliban gekämpft haben, danach als Al-Qaida-Mann über Pakistan in den Irak gekommen sein und zuletzt in Syrien in den Reihen des IS gekämpft haben.

Die Wohnung, in der er festgenommen wurde, gehört einem Iraker. Insgesamt wurden dort 5 Personen angetroffen und verhaftet: neben Mascharipow noch der Iraker und drei Frauen, eine davon aus Ägypten die anderen beiden ebenfalls aus nordafrikanischen Ländern.

Der Fahndungserfolg ist das Ergebnis einer kollektiven Anstrengung von Polizei und Geheimdienst. Rund 2.000 Polizisten und Geheimdienstler waren beteiligt, 7.200 Stunden Videomaterial wurden ausgewertet und 20 Wohnungen durchsucht. Der Attentäter habe seit der Silvesternacht dreimal die Wohnung gewechselt, in Esenyurt sei er erst seit drei Tagen gewesen. Insgesamt, so Sahin, wurden seit dem Attentat 150 Adressen überprüft und 50 Verdächtige festgenommen.

Bei der Festnahme wurden auch knapp 200.000 Dollar sichergestellt

Mascharipow war nach dem Attentat unerkannt aus dem Club entkommen und mit dem Taxi in den Stadtteil Zeytinburnu gefahren. Dort lieh er sich von Kellnern in einem uigurischen Restaurant Geld, bezahlte den Fahrer und verschwand anschließend von der Bildfläche.

Nach Angaben von Polizei und türkischen Medien soll er zu Beginn 2016 mit Frau und Kindern aus Syrien oder dem Irak illegal in die Türkei gekommen sein und zunächst in Zentralanatolien, in Konya, gelebt haben. Ob er bereits als potenzieller Attentäter kam oder erst später vom IS kontaktiert wurde, ist noch nicht bekannt. Bei seiner Festnahme wurden neben mehreren Waffen auch knapp 200.000 Dollar sichergestellt.

Ministerpräsident Binali Yıl­dırım feierte die Festnahme am Dienstag als großen Erfolg. Er sagte, die Fahndung nach Unterstützern des Terroristen ginge weiter. Erstmals hatte der IS sich zu einem Anschlag in der Türkei bekannt. Zuvor hatte die IS-Führung zu Attentaten in der Türkei aufgerufen. Jetzt rächt sich, dass die türkische Regierung jahrelang den IS und seine Sympathisanten gewähren ließ. Diese haben nach Recherchen verschiedener Medien überall im Land Zellen aufgebaut.

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