: Den Zauber eines neuen Anfangs wagen
POPFÖRDERUNG Auch der Kultursenator kommt zum Neujahrsempfang des Musicboards – konsequent quotiert geht man ins neue Jahr
von Diviam Hoffmann
„Die 100 besten DJs“ – wer sich auf der Suche nach musikalischem Input auf eine solche Liste verirrt und ein halbwegs ausgeprägtes Bewusstsein für Gleichberechtigung hat, dürfte ob des Anteils an weiblichen DJs keine Freude empfinden. Bei einer Gesprächsrunde zum Thema „Frauen in der Popkultur“ merkt Nadine Moser an, jüngst bei einer solchen Auflistung bei einer der wenigen genannten Frauen, ihrer Berghain-Kollegin Steffi, das Attribut „got balls“ gelesen zu haben.
Geladen zu diesem Talk, moderiert von taz-Autor Jens Uthoff, hat am Donnerstag das Musicboard, Berlins Förderinstitution in Sachen Popkultur. Es ist der Neujahrsempfang im Silent Green Kulturquartier, wo das Musicboard auch seine Büros hat: Seit 2013 will die vom Senat eingesetzte GmbH neue Impulse für die Berliner Pop- und Rockmusik geben, unterstützt unter anderem junge Musiker*innen mit Stipendien und organisiert das Berliner Musikfestival Pop-Kultur.
Geschäftsführerin Katja Lucker, Berlins Musikbeauftragte, hat geladen, zum Auftakt des fünften Jahres – und die an diesem Abend viel gerühmte kreative Szene der Stadt lässt sich nicht lange bitten: Radioeins-Musikchefin Anja Caspary, Labelmanagerin Anne Haffmans, Popkritiker und HKW-Musikchef Detlef Diederichsen und andere Journalist*innen, aber auch Repräsentant*innen der freien Szene, unabhängiger Kulturläden und der Festivalszene sind gekommen.
Stiller Beobachter Renner
Das Musicboard hatte zuletzt einen Jahresetat von 1,7 Millionen Euro verwaltet. Wobei hier seit der neuen rot-rot-grünen Regierungsbildung im Dezember einiges im Wandel liegt. Bisher war Kultur Chefsache und oblag offiziell dem Regierenden Bürgermeister. Abgegeben hatte Michael Müller (und zuvor Klaus Wowereit) einen Teil der Verantwortung an Tim Renner, Kulturstaatssekretär mit Punk- und Popvergangenheit, der nun übrigens für die SPD als Direktkandidat in den Bundestag einziehen will.
Am Donnerstagabend ist auch er gekommen, bleibt aber stiller Beobachter, als Senatskanzleichef Björn Böhning offiziell den Staffelstab in der Betreuung des Musicboards an Linken-Politiker Klaus Lederer übergibt.
Auch Lederer, der die Kultur als eigenständiges Ressort innerhalb der rot-rot-grünen Regierung übernommen hat, macht keinen Hehl aus seiner Verbundenheit zum Arbeitsfeld des Musicboards. Er gehe selbst gern clubben, ziehe aber queere safe spaces beim Ausgehen vor, weshalb er sich in einer kulturellen Blase bewege, was die empirische Beobachtung von Sexismus in Berlins Kulturszene betreffe. Dennoch: Das Problem der Unterrepräsentanz von Frauen auf, hinter und vor der Bühne sei bekannt.
In Berlin jedoch hätte man Glück, hier gebe es ein gutes Netzwerk, vor allem in der elektronischen Musik, bemerken Nadine Moser, die unter dem Namen Resom auflegt, und Gudrun Gut, die einst bei Malaria spielte und heute als DJ und Labelinhaberin in Berlin lebt. Wenn Gut auf 35 Jahre Erfahrung in der Musikszene zurückblickt, kommt sie zu dem Ergebnis, es habe sich hinsichtlich Gleichberechtigung kaum etwas verändert. Noch immer gäbe es gerade auf Festivals erschreckende Zahlen, was das Verhältnis von Bands mit weiblicher Beteiligung, Künstlerinnen oder Transpersonen angehe. Musikerin Balbina, die am Donnerstag ebenfalls auf dem Podium sitzt, hält die Ausrede, es gebe einfach nicht so viele Frauenbands für ein „Ammenmärchen“, die vornehmlich männlichen Booker seien einfach zu faul zum Googlen.
Auch das Thema Frauenquote wird so immer wieder gestreift. Musicboard-Chefin Katja Lucker, die im Talk sonst fast nicht zu Wort kommen muss, so eloquent gestalten die drei Musikerinnen auf dem Podium, Balbina, Moser und Gut, ihre Ausführungen, kann hier konkret werden: Sie setzt die Quote jetzt einfach um. Und da ist nicht die Rede von 30 oder 40 Prozent, wie man sich teilweise noch eine Präsenz von Frauen* auf Festivals vorstellt. Will man Fördergelder vom Musicboard, muss man mindestens eine 50:50-Beteiligung in allen Bereichen aufweisen können.
Doch müsse es, das war Konsens in der Runde, beim Thema Frauen in der Popkultur auch um ein anderes Bewusstsein, vor allem im Mainstream, gehen. Dass einer Frau immer noch weniger kreatives Potenzial als Männern zugetraut wird, sie oft als rein ausführende Instanzen gesehen werden, während Produktion, Regie oder Songwriting als männlich konnotierte Tätigkeiten gelten – wie das auch die auf dem Podium sitzenden Musikerinnen immer wieder erfahren.
Ein Ausbau gewünscht
Im Berliner Koalitionsvertrag ist nachzulesen, dass die Regierung das „Pop-Kultur-Festival und sein Nachwuchsprogramm des Musicboards Berlin ausbauen“ möchte. Was das genau bedeutet, war weder von Lederer noch von Lucker zu erfahren. Doch dass für die Popförderung bei den Haushaltsverhandlungen ein ähnlich großes Stück vom Kuchen abfällt wie für andere Kulturbereiche, etwa die großen Musiktheater der Stadt, ist nach wie vor nicht zu erwarten.
Auch darüber hinaus verrät der Neujahrsempfang wenig über die konkreten Pläne von Berlins Popkulturförderungsinstitution, die Fristen für die ersten Projekte sind schließlich noch nicht mal ausgelaufen. Zelebriert wird jedoch der Zauber eines neuen Anfangs, den die Verantwortlichen hier durchaus zu spüren wagen. Schön ist es, die Ansätze fürs aktuelle Jahr aufs Wesentliche reduziert zu sehen: das Ausgleichen von ungerechten Geschlechterstrukturen.
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