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Verlorene Vielfalt

Agrar Viele bunte Teesorten im Supermarkt garantieren noch keine echte Auswahl. Der neue „Konzernatlas“ zeigt: Die Konzentration in der Lebensmittelbranche nimmt zu, und damit die Macht weniger Firmen

Aus Berlin Hanna Gersmann

Kräutertee, Schwarztee, Ostfriesentee – Teesorten gibt es viele, hinter dem Gros des Angebots stecken aber gerade mal drei ­Firmen: der niederländisch-britische Konzern Unilever (Marke: „Lipton“) der indische Konzern Tata („Tetley“) und Associated British Foods („Twinnings“) kontrollieren 80 Prozent des globalen Teehandels. Es ist nur ein Beispiel aus dem Konzernatlas 2017, der am Dienstag in Berlin veröffentlicht worden ist.

Die Datensammlung über die Agrar- und Lebensmittelindustrie haben Experten der Grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung, der Entwicklungsorganisation Germanwatch und anderer erarbeitet. Sie zeigt, wie rasant die Macht einiger Konzerne bei der Herstellung und dem Verkauf von Lebensmitteln in nur kurzer Zeit zugenommen hat – und die Risiken dieser Entwicklung. So entfällt auf nur 50 Firmengruppen die Hälfte des weltweiten Umsatzes mit der Herstellung von Lebensmitteln. Und: Vor allem die Großen wachsen weiter.

Seitdem die Weltfinanzkrise vor gut sechs Jahren abebbte, gibt es laut Atlas eine „neue Fusionswelle“. Allein im Jahr 2015 machten zwei große, von Finanzinvestoren getriebene Zusammenschlüsse Schlagzeilen: Der Brauereikonzern Anheuser-Busch übernahm den Rivalen SABMiller. Und der Ketchup­hersteller Heinz kaufte seinen Konkurrenten Kraft. Für die Beschäftigten hießen solche Übernahmen nichts Gutes, so die Studienmacher. Heinz strich allein in den ersten 20 Monaten nach der Übernahme 7.400 Stellen, das traf fast ein Viertel der Beschäftigen weltweit. An erster Stelle des Rankings steht Nestlé.

Wie komm ich da ran?

Der Konzernatlas 2017 beinhaltet Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie, die Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Bund für Umwelt- und Naturschutz, Germanwatch und Oxfam Deutschland zusammengestellt haben.

Er erscheint am 12. Januar mit der Januarausgabe der deutschen Le Monde diplomatique.

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Mit der „Expansion der Multis mit ihrer Vielzahl von Produkten“ änderten sich die Essgewohnheiten, heißt es im Atlas weiter. Statt Frischgekochtem äßen die Kunden immer häufiger Fertiggerichte wie Pizza oder Suppen. Die Nebenwirkungen: „Übergewicht, Diabetes und chronische Krankheiten“.

Nicht nur die Hersteller, auch die Supermärkte wachsen. Die US-Kette Walmart macht alleine 6,1 Prozent des weltweiten Einzelhandelsumsatzes und ist damit die Nummer eins. Zu den weltweit größten zehn der Branche gehören auch drei deutsche: der Lidl-Mutterkonzern Schwarz steht auf Platz 4, Aldi auf 7, Metro auf 8.

Mit der Größe wächst die Verhandlungsmacht der Supermärkte – und damit der Druck auf Erzeuger und Beschäftigte. Preise und Löhne würden gedrückt, heißt es im Atlas. Erzeuger mit kleineren Höfen und Betrieben könnten nicht mithalten. Im Trend seien Global Player, und zwar in der gesamten Kette, also vom Acker bis zur Ladentheke.

Berühmt ist der Milliardär Robert Kuok, „König des Speiseöls“ genannt. Er besitzt den Großteil des Konzerns Wilmar aus Singapur, der über 200.000 Hektar mit Ölpalmen bewirtschaftet und damit der weltweit größte Hersteller von Speiseöl ist. Noch ein Global Player: Der vor allem für seine Traktoren bekannte US-Konzern Deere & Company setzte schon im Jahr 2015 üppige 29 Milliarden Dollar um. In den kommenden Jahren darf der Weltmarktführer im milliardenschweren Markt für Agrartechnik auf ein neues Geschäftsfeld hoffen: die „Landwirtschaft 4.0“, also die Digitalisierung.

Auch die Macht der Supermärkte wächst – und der Druckauf Erzeuger und Beschäftigte

Für den Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Ernährungsindustrie, Christoph Minhoff, ist der Konzernatlas ein „absurdes Sammelsurium verkürzter Behauptungen oder falscher Unterstellungen gegen die Lebensmittelbranche und einzelne Unternehmen“. Der Er­nährungswohlstand in Deutschland sei „nicht selbstverständlich und überhaupt erst durch die industrielle Lebensmittelproduktion möglich geworden“.

Barbara Unmüßig von der Böll-Stiftung stellte fest, der Trend zur industriellen Landwirtschaft werde „zementiert“. Das behage vielen nicht, sie fürchteten Massenställe, Güllefluten und Antibiotika-Missbrauch.

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