Der Kälteprofi

Wie machen Sie das?

Ego Ernst, 63, ist obdachlos und musste deshalb Strategien entwickeln, im Winter mit der Kälte zurechtzukommen.

taz.am wochenende: Herr Ernst, Sie sind den ganzen Tag draußen in Berlin in der Kälte und scheinen nicht zu frieren. Wie machen Sie das?

Ego Ernst: Das ist ganz einfach. Du besorgst dir eine Isomatte und einen vernünftigen Schlafsack. Ich habe meinen aus Frankfurt. Da warste 5 Minuten drinnen, das war ein Backofen. Hier bei der Bahnhofsmission verteilen sie nur die dünnen. Außerdem bin ich warm angezogen. Ich habe warme Winterschuhe und eine Thermohose. Trotzdem friere ich nachts manchmal.Wie kann man noch die Kälte vertreiben – außer mit warmen Klamotten?

Bewegung hilft. Oft bin ich 24 Stunden auf Achse, weil wir auch keinen Schlafplatz finden, wo es warm ist und ich nicht vertrieben werde. Das schlaucht aber ganz schön.

Was hilft besser gegen die Kälte – Tee oder Alkohol?

Tee. Ich trinke nicht und werde auch nicht trinken. Wenn du trinkst, dann hast du verloren. Dann sitzt du in der Ecke, bist besoffen und erfrierst. Nein, Kaffee oder Tee wärmt dich. Bei der Bahnhofsmission bekommen wir immer kaltes Wasser. Das ist nicht gut. Aber sie verteilen auch Tee und warmes Essen.

Was machen Sie, wenn Sie die Kälte nicht mehr aushalten?

Ich versuche mich irgendwo im Warmen aufzuwärmen. Tagsüber gehe ich in Cafés, und wenn sie mich da rausschmeißen, dann in U-Bahn-Stationen. Aber ich habe viele gute Erfahrungen mit den Leuten gemacht. Die meisten sind anständig und geben dir einen Kaffee oder einen Tee. Ich bin aber auch ordentlich angezogen. Diejenigen, die zerlumpt sind, werden meistens wieder vor die Tür gesetzt. Dabei ist es selbst, wenn die Sonne scheint, inzwischen nicht mehr warm.

Interview Sarah Bioly