: Erneute Verschwörung gegen Polen
Kulturpolitik Der Propaganda-schinken „Smolensk“ wird doch in Deutschland gezeigt. Der „Club der Polnischen Versager“ fand ein Kino, das ihn zeigt
von Philipp Fritz
Adam Gusowski ist gelungen, wozu der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Przyłębski, nicht imstande war: Der Chef der Schankbar und Kultureinrichtung „Club der Polnischen Versager“ hat ein Kino zur Vorführung des umstrittenen Propagandastreifens „Smolensk“ gefunden; heute Abend um 20 Uhr läuft er im Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte.
Der Film behandelt den Absturz der polnischen Präsidentenmaschine 2010, bei dem Staatspräsident Lech Kaczyński, dessen Frau Maria und 94 weitere Mitglieder der polnischen Elite ums Leben kamen. Untersuchungen zufolge geriet die Tupolew beim Anflug auf das russische Smolensk in dichten Nebel. Neben menschlichem Versagen war dies eine der Unglücksursachen. Im Film indes ist es eine Verschwörung äußerer, vielleicht auch innerer Feinde, die zum Absturz des Flugzeugs führt. Jarosław Kaczyński, der Zwillingsbruder des verstorbenen Präsidenten, heute Chef der regierenden, nationalkonservativen PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) und starker Mann Polens, hängt genau dieser Theorie an: Der zufolge haben die Russen die Maschine vom Himmel geholt. Sein Verteidigungsminister Antoni Macierewicz spricht in dem Zusammenhang sogar davon, dass Polen ein Opfer russischen Staatsterrors geworden sei. Parteifreunde der beiden glauben zudem, dass der damalige Premierminister und heutige EU-Ratspräsident Donald Tusk in die Sache verwickelt sei.
Sie alle beklatschten nach der Premiere von „Smolensk“ im herrschaftlichen Warschauer Teatr Wielki im vergangenen September das drei Jahre produzierte und mit Crowdfunding finanzierte Machwerk des Regisseurs Antoni Krauze. Die Verschwörungstheorie also war zur Staatsräson geworden.
Diese Staatsräson offenbar vertritt auch Botschafter Przyłębski. 800 Einladungen für die Deutschlandpremiere wurden verschickt, darin heißt es: Die Ursache der Katastrophe sei „bis heute nicht geklärt“. Kurzfristig sagte das Delphi-Kino die Vorstellung für den 7. November des vergangenen Jahres ab. Eine Blamage vor allem für die polnische Botschaft, die seitdem kein Berliner Lichtspielhaus finden konnte, um „Smolensk“ zu zeigen.
Adam Gusowski vom „Club der Polnischen Versager“ kam die Idee zu einer eigenen Premiere nach jener Affäre – zuvörderst um den Film sich selbst entlarven zu lassen, wie er in einem Interview mit dieser Zeitung sagt, um seine Propaganda offenzulegen. Um das Setting abzurunden, findet nach der Vorführung eine Podiumsdiskussion statt. „Den Botschafter bloßstellen wollen wir nicht“, sagt Gusowski noch.
Mit der Suche nach einem Kino für die Botschaft war das Polnische Kulturinstitut Berlin befasst. Dessen renommierte Direktorin Katarzyna Wielga-Skolimowska, so wird kolportiert, habe sich dabei äußerst passiv verhalten. Kurz darauf erhielt sie ein Schreiben von Botschafter Przyłębski, in dem dieser ihre Arbeit kritisierte und teils haarsträubende Verbesserungsvorschläge für das laufende Jahr machte, etwa sollten rechtsnationalistische polnische Autoren nach Berlin eingeladen werden, um einem deutschen Publikum die aktuellen politischen Veränderungen in Polen zu erklären. Die 25 im Ausland befindlichen Institute sollen eigentlich polnische Kunst und Kultur präsentieren. Wielga-Skolimowska wurde im Dezember schließlich mit sofortiger Wirkung abberufen. Auch wenn die Entscheidung darüber im Außenministerium in Warschau getroffen wurde, kam der Brief des Botschafters doch zur Unzeit und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Wielga-Skolimowska hatte ein anderes Verständnis von Kulturarbeit – und davon, was ein guter Film ist. Zum Beispiel zeigte sie den polnischen Oscargewinner von 2015 „Ida“. Darin tauchen auch Polen als Täter im Zweiten Weltkrieg auf, weswegen er vielen PiS-Politikern als antipolnisch gilt. Sogar Premierministerin Beata Szydło sprach davon, dass er ihr Land in kein gutes Licht setze. „Ida“ wurde seinerzeit mit öffentlichen Geldern gefördert.
In Zukunft dürften eher andere Filmproduktionen Gelder bekommen, in der seit bereits seit mehr als einem Jahr mit absoluter Mehrheit regierenden PiS möchte man ein patriotisches Kino fördern. „Smolensk“ passt zumindest schon mal zu diesem Muster. Ein anderes Beispiel ist das Heldenepos „Historia Roja“, das mit viel Bombast den Kampf antikommunistischer Untergrundsoldaten, der „żółnierzy wyklęci“, eindimensional zeigt, denn diese haben nicht nur für ein freies Polen gekämpft, sondern auch Juden und orthodoxe Christen ermordet.
Dass es am besten ist, mit Humor auf PiS und peinlich-propagandistische Schinken wie „Smolensk“ zu reagieren, zeigen Adam Gusowski und der „Club der Polnischen Versager“.
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