Gesellschaftskritik: Kleiderwahl
WAS SAGT UNS DAS? Von anderen erwarten, was man selbst nicht einhält, ist inkonsequent
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wird in den sozialen Medien als feministisches Vorbild gefeiert, denn bei ihrer ersten Bildungsreise nach Saudi-Arabien letzte Woche weigerte sie sich, sich zu verschleiern. In Riad wurden sowohl an von der Leyen als auch an die Dolmetscherinnen, Journalistinnen und Mitarbeiterinnen Abajas (schwarze bodenlange Gewänder) und Hidschabs (Kopftücher) verteilt.
Doch von der Leyen blieb bei ihrem Hosenanzug und forderte Gleiches auch für ihre Begleiterinnen: „Keine Frau in meiner Delegation muss die Abaja tragen. Seine Kleidung selbst wählen zu können, ist ein Recht, das Männern wie Frauen gleichermaßen zusteht.“ Sie wolle zwar die Sitten aus Respekt einhalten, doch bei der Kleidung gäbe es Grenzen. Das lässt sich als feministischer Akt der Selbstbestimmung lesen, in der eine Frau sich nicht vorschreiben lässt, was sie anziehen soll oder welche Körperstellen sie zu verdecken habe. Jedoch hat die Ministerin mit dieser Entscheidung saudi-arabisches Gesetz gebrochen.
Zur Erinnerung: Angela Merkel hat auf dem letzten CDU-Parteitag ein Vollverschleierungsverbot gefordert. Damit würde auch das deutsche Gesetz Frauen künftig vorschreiben, was sie (nicht) anziehen dürfen. Gesteht die CDU dann auch allen Frauen Ausnahmen zu? Oder darf sich nur Ursula von der Leyen gegen eine Kleiderordnung wehren?
Carolina Schwarz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen