Hanna Gersmann über die Idee für ein neues Schulfach Ernährung: Wer braucht hier Nachhilfe?
Ja, Bildung ist immer gut. Gesundheit auch. Und dass Pizza, Schokoeis und Bier in Mengen kein gutes Werk am Körper verrichten, sieht man allerorten – und auf der Waage. Trotzdem: Dass CSU-Agrarminister Christian Schmidt jetzt die Einführung eines neuen Schulfachs „Ernährung“ fordert, ist keine kluge Idee.
Sicher, lernen ließe sich viel. Wer kann schon gut Kopfrechnen? Bitte ein extra Fach. Sind wir nicht alle gestresst? Bitte ein Stressbewältigungs-Fach. Benehmen? Beziehungskrisen? Müll trennen? Und, gute Güte, die Steuererklärung ausfüllen? Das ist alles wichtig und in seiner Alltagstauglichkeit sicher noch wichtiger als manche chemische Formel oder Textanalyse.
Doch es hilft nicht weiter, immer dann ein neues Schulfach zu fordern, wenn ein gesellschaftliches Thema neu aufkommt. Als der saure Regen dem deutschen Wald Anfang der 80er Jahre zu schaffen machte, wollten Umweltschützer ein Fach Ökologie. Als die Börsen in den nuller Jahren crashten, forderten Verbraucherschützer ein Fach Finanzen.
Stopp. Der Tag für Schülerinnen und Schüler ist ohnehin schon zu vollgestopft. Oder soll Deutsch dafür wegfallen?
Wer Lehrerinnen und Lehrern nicht zutraut, Schüler auf den Alltag vorzubereiten und gesellschaftliche Debatten von sich aus zu integrieren, der nimmt sie nicht ernst. In Erdkunde lässt sich auch jetzt schon klären, ob für Sojafutter hiesiger Hühner Regenwald in Brasilien abgeholzt wird. In Philosophie können Schüler diskutieren, wie Tiere gehalten werden, und in Biologie lernen sie, was Vitamine aus dem Gemüse im Körper machen.
Der Agrarminister kann sich derweil getrost um seine eigenen Schulaufgaben kümmern. Denn die beste Bildung nützt nichts, wenn es in Kindergärten und Altenheimen nur auf den Preis beim Essen ankommt und Lebensmittel, die zu viel Zucker, Fett und Salz enthalten, weiterhin nicht gekennzeichnet werden.
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