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Neonazi ohne politische Gesinnung

PROZESS Ein bekannter rechter Serien-Schläger wird in Braunschweig auf Bewährung frei gelassen. Die Richterin nennt ihn einen „Neonazi“, will bei seinen Gewalttaten allerdings keine menschenverachtende Gesinnung erkennen

Zwei Jahre auf Bewährung sowie 7.000 Schmerzensgeld – so lautet am Mittwoch das Urteil gegen gegen den stadtbekannten Rechten Pierre B. am Amtsgericht Braunschweig. „Ich würde Sie schon als Neonazi einordnen“, begründete Richterin Antje Gille ihr Urteil, „aber eine menschenverachtende Gesinnung ist bei den Taten nicht nachzuweisen“. Daher seien die Taten wie normale Gewaltdelikte zu beurteilen. Das Publikum war empört.

Während der Verhandlung wurde es immer wieder laut. Schon vor dem Beginn gibt es Tumult: Vor dem Haupteingang geraten Rechte und Linke aneinander. Die Beamten rennen aus dem Saal. Hundegebell und Geschrei dringen durch die offenen Fenster, „Nazischweine“ ist zu verstehen.

Pierre B. wurde der Prozess wegen mehrerer Taten gemacht: Im Februar hatte er einem Schüler den Kiefer gebrochen und fügte einem zweiten Schüler eine Gehirnerschütterung zu. Vorher hatte er einen Mitarbeiter der Jugendorganisation „Die Falken“ angegriffen. Im Juni hat er einer Polizeibeamtin Kopfstöße versetzen wollen und sie beleidigt. Und nachdem die Deutschen bei der Fußball-EM ausschieden, warf er beim „Public Viewing“ einen Mann zu Boden, schlug und trat ihn. All das hat er zugegeben.

Für Sven Adam, Anwalt des Nebenklägers, war klar: „Man muss die Braunschweiger Zivilgesellschaft vor ihm schützen.“ Dass Pierre B. bei Widerspruch zuschlägt, durchziehe alle Anklagepunkte.

Staatsanwältin Julia Meyer allerdings meinte: „Wir haben es hier nicht mit einem schwarzweiß denkenden Rassisten zu tun.“ Sie forderte zwei Jahre auf Bewährung für den Angeklagten. „Die politische Gesinnung ist kein Grund, die Möglichkeit der Bewährung zu verwehren.“ Sie riet dem Bodybuilder daher, am besten auf einen Pferdehof zu ziehen.

Diesen hatte der Sachverständige Riedemann ins Spiel gebracht. Er beschrieb den Rechten als „freundlich und kooperativ“ und „ehrlich“. Riedemann diagnostizierte eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, die Schuldfähigkeit stellte er aber nicht in Frage. Die Störung führe dazu, dass B. in der rechten Szene seine „Ersatzfamilie“ sehe und aus „Solidarität mit den Freunden“ in die Gewalttaten gerate.

Auch der Verteidiger beschrieb seinen Mandanten eher als einen Mitläufer. Bei der Aussage des Sachverständigen beantragte er dann sogar, die Öffentlichkeit auszuschließen. „Ich möchte nicht, dass mein Mandant am Pranger steht.“ Dies allerdings lehnte die Richterin dann ab. Lukas Thöle

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