: Warnsignale aus der „Wetterküche Arktis“
Klima Das Meereis am Nordpol schmilzt rasant. Eine neue Studie warnt vor dramatischen Folgen für die Region und die Welt
von Bernhard Pötter
Bei ihrer Literaturauswertung konzentrierten sich die Forscher besonders auf Anzeichen für „Regimewechsel“ – also für Entwicklungen, bei denen die Umwelt in einen neuen Zustand wechselt, der mindestens 100 Jahre nicht mehr rückgängig zu machen ist. Von 19 solcher möglicher „Kipppunkte“ im regionalen Ökosystem fanden die Forscher einige bereits überschritten: Im immer wärmeren Meer bei Spitzbergen etwa hat Seegras die Algen verdrängt, Seetangwälder weichen Seeigeln, und die arktische Tundra voller Moos wandelt sich durch höhere Temperaturen sowie mehr Niederschlag zu einer Steppe voller Büsche.
Bei den Veränderungen der eisigen Ökosysteme sieht der Bericht Anzeichen dafür, dass auch dort Kipppunkte erreicht sein könnten: So schmilzt das Meereis rund um den Nordpol im Sommer weiter; der mächtige Eisschild in Grönland verliert schneller an Masse als bislang gedacht, manche Fischbestände stehen regional vor dem Kollaps, wozu auch Krankheiten oder veränderte Meeresströmungen beitragen. Auch auf den Rest der Welt könnte die radikale Umgestaltung in der „Wetterküche Arktis“ Auswirkungen haben, heißt es in dem Bericht: Die kombinierten Wirkungen könnten „auch außerhalb der Arktis Veränderungen lostreten“, wie die Verwandlung des tropischen Regenwalds in Savanne, eine Schwächung des Systems von Monsunregen oder den Zusammenbruch der Mangrovenwälder.
Gerade hat sich im Vergleich zum langjährigen Mittelwert an beiden Polen deutlich zu wenig Meereis gebildet. Die geringe Eisbedeckung im Südpolarmeer am Ende des südlichen Winters ist nach Meinung von Experten nur ein Ausreißer in der Statistik – das Meereis rund um die Antarktis ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben.
Die geringe Ausdehnung des Packeises rund um den Nordpol allerdings passt in den Trend. Denn die Arktis leidet schon lange an eisiger Schwindsucht. Dazu macht sie auch noch Schlagzeilen mit Hitzerekorden. Derzeit ist es in der Arktis an manchen Stellen etwa acht Grad wärmer als im Schnitt. Seit Beginn der wissenschaftlichen Messungen war nur im Jahr 2012 noch weniger Eis rund um den Nordpol auf dem Wasser. Die Fläche bedeckte im Oktober nur 6,1 Millionen Quadratkilometer, rund 20-mal so groß wie Deutschland.
Der Grund für das große Schmelzen im Norden: Weil das Meer in großen Teilen bereits im April und Mai auftaute, war das Wasser lange der Sonne ausgesetzt und nahm deshalb mehr Wärme auf. Deswegen gefriert es jetzt langsamer.
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