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Lasst ihn doch erst mal arbeiten

Kommentar

von Uwe Rada

Andrej Holm und die Stasivorwürfe der Opposition

Das war ja zu erwarten. Erst Stasi und dann auch noch ein halber Terrorist – und so einer soll Staatssekretär im Berliner Senat werden?

Mit der Nominierung von Andrej Holm als Staatssekretär für Wohnen hat die Opposition von CDU, AfD und FDP ihr erstes Thema gefunden. Peinlich nur, dass es gar kein Thema ist.

Dass Andrej Holm als junger Mann eine Laufbahn bei der Staatssicherheit einschlagen wollte, hat er in dieser Zeitung bereits am 15. Dezember 2007 bekannt gemacht. Und alles andere, was ihm nun vorgeworfen wird, auch.

Holms Einlassung erfolgte in einem Gespräch mit ehemaligen Oppositionellen. Anders als die Opposition heute haben diese nicht getobt, sondern hingehört. Und verstanden, dass der damals 18-jährige Holm froh war, dass ihm die Wende einen Strich durch die eigene Rechnung gemacht hat. Auch an der Humboldt-Universität war man zu dieser Differenzierung fähig. CDU, AfD und FDP müssen sie erst noch lernen.

Die Humboldt-Universität, allen voran der inzwischen verstorbene Stadtsoziologe Hartmut Häußermann, stand Holm auch bei, als er wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhaftet wurde.

Radikal ist nötig

Weil eine „militante gruppe“ in ihren Bekennerschreiben das Wort „Gentrifizierung“ verwendet, ist derjenige, der dazu forscht, nicht automatisch ein Terrorist. Das musste auch die Bundesanwaltschaft irgendwann einsehen. Das Verfahren gegen Holm wurde komplett eingestellt. Dass es zu keinem „Freispruch erster Güte“ kam, lag nur daran, dass es gar nicht erst zu einem Prozess kam.

Natürlich sind solche Sachen nicht schön. Aber auch Joschka Fischer wurde irgendwann Außenminister. Und so wie Fischer sollte auch Holm bewertet werden: an seiner Arbeit als Politiker – und nicht an seiner Vergangenheit. Doch genau das scheint der eigentliche Grund für die Aufregung zu sein. Holm ist radikal im besten Sinne des Wortes. Für manche ist das ungehörig.

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