: Eisregen bei 12° C plus
Bundesliga Um die schwankende Leistung der auf europäischer Ebene glänzenden Dortmunder zu erklären, bemüht Thomas Tuchel Wetteranalogien. Beim 1:1 in Köln bringen beide Teams je einen Punkt ins Trockene
Aus Köln Andreas Morbach
Mit dem lästigen Alltag hatten die zehn Dortmunder Fans, die nach dem Spiel an der Westseite des Müngersdorfer Stadions vorbeizogen, nichts am Hut. „Und kommt die Kündigung – scheißegal!“, sangen sie auf dem Weg zur nächsten Kneipe oder Straßenbahnhaltestelle, anschließend bekundete das Grüppchen noch seine grenzenlose Liebe zu den Schwarz-Gelben. Die hatten in der Domstadt zwar nur ein 1:1 ergattert, zudem auf den letzten Drücker. Andererseits sorgt die Mannschaft von Thomas Tuchel immer wieder für schöne Momente wie zuletzt in Madrid, wo sie Titelverteidiger Real in der Champions League den Gruppensieg vor der Nase wegschnappte.
Das internationale Parkett behagt der Borussia in diesem Herbst eindeutig mehr als das Tagesgeschäft im eigenen Land. Mit dem Remis am Rhein tritt der Vizemeister in der Bundesliga auf der Stelle, der Rückstand auf die Doppelspitze München und Leipzig beträgt nun acht Punkte. Doch anders als nach dem 1:2 zwei Wochen zuvor in Frankfurt mochte Tuchel die schwache Darbietung seiner Elf diesmal nicht monieren. Stattdessen bemühte er sich um Verständnis für das im Sommer umfassend renovierte Team. Schließlich hatte auch er die Energieleistung des BVB beim 2:2 in Madrid nicht vergessen. Zudem, merkte Tuchel gnädig an, gebe es dankbarere Aufgaben als Auswärtsspiele in Köln-Müngersdorf.
Dort marschierte Dortmunds Last-Minute-Torschütze Marco Reus erkennbar verstimmt durch einen Seitenausgang zum Mannschaftsbus. Sportdirektor Michael Zorc nahm sich die Zeit, das miserable Abwehrverhalten beim Kölner Führungstor zu kritisieren. Bei einem weiten, nicht besonders hart getretenen Freistoß von Jonas Hector schlich Angreifer Artjoms Rudnevs BVB-Mann Erik Durm davon und traf per Kopf zur Führung. „Das war noch nicht mal eine richtige Torchance. Man darf so einen Fehler nicht machen“, murrte Zorc.
Bei trockenem Dezemberwetter und angenehmen zwölf Grad verfolgte Tuchel die Partie im schwarz-gelben Trainingsanzug. Nach Spielschluss bemühte er meteorologische Analogien: „Wenn der Wetterbericht sagt, es regnet, nimmt man einen Schirm mit. Doch dann kommt ein schöner Sturm dazu und du stehst im Eisregen. Dann denkst du dir: Eigentlich hab’ ich’s gewusst, und trotzdem fühlt es sich scheiße an“, so Tuchel, der damit weniger das Wetter als das Spiel des BVB meinte.
„Wir haben vor der Saison acht neue Spieler verpflichtet, die noch nie Bundesliga gespielt haben. Die meisten von ihnen wissen gar nicht, wases bedeutet, in Köln zu spielen, mit all den Emotionen rundherum“, so Tuchel weiter. „Ich finde, eine Entwicklung ist auf jeden Fall erkennbar, auch mit ein paar Dellen. Das fühlt sich dann halt mal zäh an. Aber nach dem, was ich heute gesehen habe, gibt es mehr Komplimente – und weniger den erhobenen Zeigefinger.“
Matthias Ginter
Die erfreulichste Erkenntnis war Reus’ Ausgleich in der 90. Minute, viel mehr Gelegenheiten erspielten sich die Westfalen nicht. Mangelnde Effektivität musste Tuchel also nicht beklagen. Im Gegensatz zum Kölner Kollegen Peter Stöger, dessen Team nach der Pause mehrfach sein stark ausbaufähiges Konterspiel unter Beweis stellte.
„Teams wie Real Madrid bauen hinten nicht so ein Bollwerk auf wie Köln, sondern konzentrieren sich auf ihr eigenes Spiel. Deshalb ist es für uns in der Bundesliga schwerer als in der Champions League“, benannte Mittelfeldspieler Julian Weigl im ZDF-„Sportstudio“ eine bemerkenswerte Erkenntnis der Borussen. „Wir haben sehr viel Potenzial, aber eben auch wahnsinnig viele junge Spieler“, beschwichtigte Teamkollege Matthias Ginter, der aber schon findet: „Wir müssen schnellstmöglich lernen.“
Zumal, wie sein Trainer noch anmerkte, vor dem „ganz schweren Spiel in Hoffenheim“ am Freitag. Ob er dann auf das in Köln verletzt ausgeschiedene Trio Lukas Piszczek, Gonzalo Castro und Sokratis zurückgreifen kann, ist offen. Klar war für Thomas Tuchel am Wochenende allein dies: „Ich wollte gegen Ende hin den einen oder anderen schnellen Spieler bringen, aber das ging dann nicht mehr. Also sagst du: Okay, an diesem Tag ist es halt nur ein Punkt – und fährst nach Hause.“ Mit oder ohne Eisregen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen