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Michael Braun über Italiens RegierungskriseGar nicht so dramatisch

Was wurden nicht alles für Horrorszenarien verbreitet vor Italiens Referendum: Bei einem Nein drohe die Bankenkrise aus dem Ruder zu laufen, sei mit einem Hochschießen der Zinsen auf Italiens Staatsanleihen zu rechnen, der Euro sei in Gefahr. Jetzt ist das Referendum gescheitert, die Regierung Renzi weg, und es passiert – nichts.

Der Aktienkurs der größten Krisenbank, Monte dei Paschi di Siena, kletterte, der Zinsabstand der italienischen zu den deutschen Staatsanleihen liegt bei nur 1,5 Prozent. Eine Regierungs- ist keine Staatskrise, und Italiens Demokratie funktioniert.

Das haben die Bürger bewiesen, die am letzten Sonntag zahlreich abstimmten, das beweisen auch die Institutionen: Mit der schnellen Verabschiedung des Staatshaushalts 2017 schuf der Senat die Voraussetzung dafür, dass die Krise ohne großes Trauma über die Bühne gehen kann.

Für Traumata könnten die Parteien sorgen, die jetzt nach sofortigen Neuwahlen rufen. Berechtigt durchaus: Keiner der letzten vier Ministerpräsidenten hat je direkte Legitimierung durch die Wähler erhalten – auch Matteo Renzi nicht, der 2014 direkt als Bürgermeister von Florenz auf den Posten des Regierungschefs wechselte, ohne im Parlament zu sitzen.

Ohne neues Wahlgesetz für beide Kammern wäre die sofortige Neuwahl jedoch ein Blindflug. Ihr Ergebnis wäre in der Tat ein unregierbares Land. Verwunderlich, dass ausgerechnet Renzi, der seine Verfassungsreform als Schritt zu mehr Stabilität verkaufte, jetzt die politische Destabilisierung in Kauf nimmt.

Es verwundert dagegen nicht, dass Beppe Grillos Fünf Sterne plötzlich Neuwahlen mit einem Wahlrecht wollen, das sie stets als undemokratisch ablehnten. Es wäre wohl ihre einzige Chance für eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Zum Glück verweigert sich Staatspräsident Mattarella jeder Haurucklösung. Italien und Europa bleibt so eine überflüssige Dramatisierung erspart.

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