: Her mit der Pferdesteuer? Nein
Gehen der Politik die Ideen aus, erfindet sie eine neue Steuer. „Pferde-“ oder „Boxensteuer“ heißt das Ding, das in Tangstedt ziemlich unverblümt erhoben wird, um das Haushaltsdefizit der Gemeinde zuverringern. Die Steuer ist eigentlich als Aufwandssteuer gedacht. Der Alternativvorschlag der Reiter, sie könnten selbst für die Pflege der Reitwege sorgen, wurde von der Gemeindevertretung aber verworfen. Und es wurde auch nicht beziffert, welchen Aufwand die Reiter der Gemeinde tatsächlich verursachen.
Stattdessen ziehen die Gemeindevertreter eine einzelne, vermeintlich reiche Gruppe heran, das Problem aller zu lösen. Das ist nicht fair und hat fragwürdige Folgen. Denn durch das Höfe-, Kneipen- und Ladensterben drohen die Dörfer ohnehin schon, ihre Lebendigkeit zu verlieren. Das mag für einen Ort wie Tangstedt im Hamburger Speckgürtel weniger dramatisch sein als für andere Kommunen. Denn sollte das, was das Leben auf dem Land ausmacht, nicht auch noch erschwert werden. Dazu gehört das Reiten.
Pferde und Reiter sind wichtig, damit die Dörfer Gesicht zeigen können, besonders wenn deren Züge durch die Industrialisierung der Landwirtschaft zu verschwimmen drohen. Das Reiten schafft Arbeitsplätze und bietet Gelegenheiten zum ehrenamtlichen Engagement im Verein. Pferde und Reiter bereichern mit öffentlichen Auftritten das kulturelle Leben.
Das Reiten ist eine naturnahe Art, sich zu erholen. Außerdem verschafft sie Menschen die nicht mehr selbstverständliche Möglichkeit, eine Beziehung zu einem Mitgeschöpf aufzubauen – eine Erfahrung, die vor allem von Heranwachsenden gesucht wird. Immerhin drei Viertel aller aktiven Reiter sind nach Angaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung 21 Jahre und jünger.
Man sollte sich von dem Klischee der Zahnarzttochter, die sich einen Gaul hält, nicht täuschen lassen. Reiten ist nicht nur ein Sport für Reiche. Andersrum wird ein Schuh draus: Wer eine Pferdesteuer erhebt, ist auf dem besten Weg, das Reiten zum Sport für Reiche zu machen.Gernot Knödler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen