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Für ein besseres Leben

FINDUNG Vor fünf Jahren wurde der Bundesfreiwilligendienst als Ersatz für den Zivildienst eingeführt. Viele nutzen ihn als Auszeit vom Job oder zur Neuorientierung

Von Mirko Heinemann

In der Altmark fand Beatrice Wunsch, wonach sie lange gesucht hatte. Zuvor hatte sie in Heidelberg ihr Studium der Psychologie abgeschlossen und arbeitete dort in einer Einrichtung der Jugendhilfe. „Unglücklich war ich mit meiner Arbeit nicht, aber ich wollte anders leben. Bewusster, nachhaltiger, gemeinsam mit Menschen, die ähnlich denken wie ich“, erinnert sich die 30-Jährige. Sie nahm an einem Sommercamp teil und kam so in das Gemeinschaftsprojekt „Ökodorf Sieben Linden“ in der Altmark, 60 Kilometer nördlich von Wolfsburg. Es wird von 140 Menschen bewohnt, die nachhaltig leben und wirtschaften und Ressourcen verantwortungsvoll nutzen wollen. Beatrice Wunsch fand, dass dies ein guter Ort zum Leben sei.

Alles aufgeben und herziehen? Das erschien ihr sehr gewagt. So war es ein glücklicher Zufall, dass im Dorf eine Bundesfreiwilligen-Stelle frei wurde. Eine Chance für Beatrice Wunsch: Sie hatte eine Aufgabe und konnte zugleich die Dorfgemeinschaft kennenlernen. So wurde aus der Psychologin eine „Bufdi.“

Bufdi, Bundesfreiwilligendienst oder BFD, wurde 2011 als Ersatz für den Zivildienst eingeführt. 80.000 Zivistellen bei gemeinnützigen Einrichtungen fielen mit dem Wegfall der Wehrpflicht weg. Im Gegenzug schuf der Bund 35.000 neue Stellen nach dem sogenannten Bundesfreiwilligengesetz. So konnten dort, wo vorher Zivis tätig waren, weiter kostengünstige Mitarbeiter angeworben werden – und endlich auch Frauen.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten sind die Stellen inzwischen stark nachgefragt. Im Herbst 2016 sind 44.000 Bufdis im Einsatz, davon mehr als die Hälfte weiblich. Viele nutzen diese Möglichkeit, um etwas über neue Arbeitsgebiete zu erfahren, sich umzuorientieren oder „im Rahmen einer Auszeit soziales, kulturelles oder ökologisches Handeln kennenzulernen“, wie es beim zuständigen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) heißt. Derzeit schafft das Amt 10.000 zusätzliche Stellen, die als „BFD mit Flüchtlingsbezug“ ausgewiesen sind.

Beatrice Wunsch arbeitete im Seminarbetrieb von Sieben Linden mit. Während der mehrtägigen Veranstaltungen haben Gäste die Möglichkeit, das Dorf kennenzulernen und an den „Erfahrungen im ökologischen Gartenbau, in der nachhaltigen Bauweise, der einfühlsamen Kommunikation oder an Gemeinschaftsprozessen“ teilzuhaben. Zentrale Aufgabe von Beatrice Wunsch war die Betreuung der Seminargäste – sie sorgte gemeinsam mit ihrem Team für deren Wohl und war zuständig für Verpflegung, Unterkunft, Wäsche und andere Aufgaben des Gästeservice.

Der Bundesfreiwilligendienst gilt zwar offiziell als Ehrenamt, dennoch erhalten die Bufdis einen „Taschengeld“ genannten Obulus von bis zu 336 Euro pro Monat, den sie mit ihrer Dienststelle aushandeln müssen. Eine Wohnung, ein Auto, auch eine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr sind da Luxus. Bei der Auswahl der Einsatzstelle sollte man daher darauf achten, ob Unterkunft und Verpflegung gestellt werden. Oder ob alternativ „Geldersatzleistungen“ geboten werden.

Die Einsatzstellen werden in der Regel von Trägern betreut – Organisationen wie dem Arbeiter-Samariter-Bund, dem Naturschutzbund oder der Deutschen Sportjugend. Sie kümmern sich um die Bufdis, vertreten die Dienststellen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, verteilen die Freiwilligenplätze und damit auch die Zuschüsse. Im Gegensatz zu den Programmen Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr, wo die Altersgrenze bei 27 Jahren liegt, ist der Bundesfreiwilligendienst für alle Altersklassen offen. Dazu kommt eine höhere Flexibilität: Teilzeit ist möglich, und auch bei der Dauer gibt es Toleranzen. Regulär beträgt sie 18 Monate, doch auch eine Dienstdauer von einem halben bis zu zwei Jahren ist realisierbar.

So war es auch bei Beatrice Wunsch. Sie absolvierte ein halbes Jahr und verlängerte dann um ein weiteres Vierteljahr. „Ich war glücklich, endlich in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu leben. Froh, nicht ständig anderen etwas erklären zu müssen.“ Die Stadt mit ihrer Vielfalt an Möglichkeiten und die Konsumwelt vermisst sie nicht. Im Gegenteil. „Weil wir uns ausschließlich saisonal und regional ernähren, entfällt das Gefühl, sich ständig entscheiden zu müssen. Ich brauche keine Erdbeeren im Herbst oder Tomaten im Winter.“ Für sie kein Verzicht, sondern eher Gewinn: „Ich merke, dass mir die saisonale Ernährung guttut.“

Die junge Frau hat sich gut in der Gemeinschaft eingelebt und sich schließlich doch für einen Umzug ins Ökodorf Sieben Linden entschieden. Sie konnte nach dem Ende ihrer Dienstzeit eine reguläre Arbeit im Gästeteam aufnehmen. Seit Kurzem verstärkt Beatrice Wunsch die Infrastruktur in der Region: Sie arbeitet wieder als Kinder- und Jugendpsychologin – in einer Praxis auf dem Land.

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