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Ganz schön unsportlich

Sport Was passiert, wenn Inklusionsbauprojekte an den Nutzern vorbei geplant werden? Das Beispiel einer Pankower Turnhalle

Eigentlich sollte es eine Erfolgsgeschichte werden: Das neu erbaute Sportareal in der Pankower Kniprodestraße mit einer Halle, die am Nachmittag nur für den Inklusionssport genutzt wird. Angeregt wurde der Bau durch Pfeffersport e. V., ein großer Kinder- und Jugendsportverein aus dem Bezirk. Der hatte bereits 2013 mit der zuständigen Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Gespräche über die künftige Nutzung für den Rollstuhlsport aufgenommen hatte.

Die Planung war für Pfeffersport zunächst kompliziert, denn die Sporthallenzeiten für Vereine werden nach intransparenten Kriterien von den Bezirksämtern vergeben – Pfeffersport konnte nicht sicher sein, überhaupt Zeiten für die neue Halle zugesprochen zu bekommen. Doch hier gab es einen Erfolg: Der Bezirk entschied, Pfeffersport eine der beiden Hallen komplett für inklusive Sportangebote zur Verfügung zu stellen – ein Novum in Pankow.

Soviel zum erfreulichen Teil der Geschichte, der damit leider schon zu Ende ist. Denn wer die Halle nutzt, merkt schnell: Sie ist alles andere als das erhoffte Vorzeigeprojekt geworden.

Das beginnt schon bei den Parkplätzen: Die für diese Arealgröße vorgeschriebene Anzahl von Behindertenparkplätzen wurde zwar umgesetzt, für die reale Anzahl der etwa 20 auf solche Parkplätze angewiesenen Nutzer reicht das jedoch nicht annähernd aus.

Auf dem Weg vom Auto in die Halle geht es weiter: Der Weg zum Haupteingang ist schmal und durch das Kleinpflaster schwer befahrbar. Vom Eingang aus führt ein Aufzug zur Halle, der aber so klein ist, dass nur zwei Rollstuhlfahrer gleichzeitig hineinpassen. Schlimmer noch als die damit verbundene Wartezeit ist die Entscheidung, den Aufzug durch einen Schlüssel zu sichern, damit ihn Fußgänger nicht mitnutzen können. Das Problem: Es gibt genau vier Schlüssel für mindestens zwanzig Rollstuhlfahrer – sind die Personen mit den Schlüsseln verhindert, ist der Aufzug de facto nicht benutzbar.

Hier gäbe es eine Lösung: Um das Gebäude herum führt eine Rampe für die Rettungsfahrzeuge zum Hintereingang, der auf dem Niveau der Sporthalle liegt. Eigentlich eine perfekte Möglichkeit, der Abhängigkeit vom Aufzug zu entkommen. Pfeffersport hatte die Senatsverwaltung bereits vor Baubeginn auf diese Option aufmerksam gemacht.

Doch der Hinweis wurde nicht beachtet. Das Ergebnis: Dieser Hintereingang ist jetzt ein Notausgang, der nur von innen zu öffnen ist – RollstuhlfahrerInnen sind also weiterhin auf den Aufzug angewiesen. Und drinnen erwarten einen noch weitere Planungsfehler, etwa zu enge Türen, nur bedingt barrierefreie Duschen und keinerlei Spiegel auf Rollstuhlfahrerhöhe.

Das mit Hilfe von EU-Mitteln gebaute, elf Millionen Euro teure Areal ist so zu einem Beispiel dafür geworden, was passiert, wenn Inklusionsprojekte nicht mit den Nutzern gemeinsam, sondern an ihnen vorbei geplant werden. Angebote von Rollstuhlfahrern mit architektonischer Ausbildung aus dem Verein, die Verwaltung ehrenamtlich zu unterstützen, wurden nicht angenommen – eine verschenkte Chance.

Christoph Pisarz

Christoph Pisarz,Jahrgang 1984, spielt seit 14 Jahren Rollstuhlbasketball und ist Referent bei Pfeffersport e. V.

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