piwik no script img

Spaziergang im Dreck

Neustadt Das Bauressort will ein Grundstück am Werdersee gegen eine ehemalige Sondermülldeponie tauschen. Linke und Piraten kritisieren das

„Der Investor bekommt ein Filetstück direkt am Deich“

Gunnar Christiansen, für die Piraten im Neustädter Beirat

Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Joachim Lohse (Grüne), nimmt Gesundheitsgefährdungen von Erwachsenen und Kindern wissentlich in Kauf. Das sagen zumindest die Fraktionen der Linken und der Piraten im Beirat Neustadt in einer Erklärung zum Bauprojekt „Gartenstadt Werdersee“.

Hintergrund: Da die freie Fläche östlich des Friedhofs Huckelriede nicht mehr für dessen Erweiterung benötigt wird, beschloss die Deputation des Bauressorts im September 2013, dort ein Wohnquartier zu errichten. Seitdem streiten Stadt, AnwohnerInnen und ExpertInnen darüber, wie dieses Vorhaben umzusetzen ist.

In mehreren Untersuchungen wurde inzwischen festgestellt, dass unter der fast 4.000 Quadratmeter großen Oberfläche etwa drei Meter Müll liegen. Dazu gehören laut Bodengutachten unter anderem Schlacke, Bauschutt und Kunststoff. Diese seien „mit umweltrelevanten Schadstoffen, Schwermetallen und Benzo(a)pyren verunreinigt“, heißt es im Bebauungsplan des Bauressorts. Diese Stoffe sind laut Umweltbundesamt krebserregend.

Und genau diese Fläche möchte Lohse nun zu einer „öffentlichen Parkanlage“ umgestalten. Eine „dauerhafte Deckschicht“ von mindestens einem Meter soll Gefährdungen durch die Schadstoffe verhindern. Das Bodenschutzgutachten beziffert die Kosten auf 320.000 Euro.

Für Gunnar Christiansen, der für die Piraten im Ausschuss Bau, Umwelt und Verkehr des Neustädter Beirats sitzt, ist das zu wenig: „Eine Schutzschicht von einem Meter reicht nicht aus“, sagt Christiansen der taz, „es kann sein, dass die Schadstoffe hochgespült werden.“

Linke und Piraten kritisieren auch, dass das Bauressort die Gefährdung des Grundwassers nicht ernst nimmt. Laut dessen Vertretern ist das Grundwasser zwar durch eine Tonschicht geschützt, „im Bebauungsplan ist aber nur von einer teilweisen Abschirmung die Rede“, sagt Wolfgang Meyer, der die Linke im Ausschuss vertritt. Er habe mittlerweile den Eindruck, das Bauressort ignoriere bewusst die Inhalte der eigenen Gutachten.

Momentan sei die „Sondermüllbrache“ zwar noch Eigentum eines privaten Investors, durch ein Tauschgeschäft könne es aber bald in die öffentliche Hand gelangen. „Und dafür bekommt der Investor ein Filetstück direkt am Deich“, so Christiansen.

Als „Unfug“ bezeichnete Jens Tittmann, Sprecher des Bauressorts, die Kritik. Er sagt: „Bis jetzt hat es noch keine Absprachen gegeben.“ Natürlich habe das Bauressort ein Interesse, dass die Flächen für Straßen und Schulen am Ende auch der Stadt gehören. Das bisherige Vorgehen entspreche aber dem Gesetz. Auch die Gesundheit der BürgerInnen sieht er nicht gefährdet. „Unsere professionellen Gutachten bestätigen, dass die Sicherheitsvorkehrungen reichen“, so Tittmann. Auf der Fläche lägen keine Uranfässer, sondern rostige Badewannen.

Lukas Thöle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen