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Archiv-Artikel

Merkel mit Schmollmund

Erst setzte er auf Papst Benedikt, jetzt auf die Kanzlerin

Der Puppendoktor sitzt in seinem Ladenlokal gegenüber dem Hauptbahnhof von Neuss und legt die Stirn in Falten. Marcel Offermann hat in monatelanger Kleinarbeit eine Kanzlerinpuppe kreiert, hat einen namhaften Puppenproduzenten gefunden. Dann haben erst die Wähler und dann die Berliner Republik verrückt gespielt. Seit dem 18. September ist für Offermann jede Nachrichtensendung ein Wechselbad der Gefühle: Denn wenn es keine Kanzlerin gibt, wird es auch keine Kanzlerinpuppe geben.

Eine Fastkanzlerin, weiß er, verkauft sich nicht. 185 Euro soll die 46 cm große Kunststoffangela mit Echthaar und selbstschließenden Augenlidern kosten, inklusive Echtheitszertifikat der Firma Schildkröt. Für das Puppengesicht habe man zwar keine eigene Gußform herstellen können, aber im Sortiment des Herstellers fand Offermann ein Puppengesicht mit Grübchen und Schmollmund, das der Kandidatin ähnlich sehe. Entscheidend seien sowieso Kleidung und Frisur. „Da ist der Stil von Frau Merkel eindeutig.“ Bezüglich der Herstellung von Prominentenimmitaten ist Offermann kein Ersttäter. Begonnen hat er im Frühjahr mit Papst Benedikt; mit 41 cm und 139 Euro war der allerdings kleiner und billiger als Merkel. Die limitierte Auflage von 999 Exemplaren verkaufte Offermann in wenigen Tagen. Bei E-Bay wurden die pausbäckigen Püppchen weit über Neupreis gehandelt. Nur eine Dame aus Bayern beschwerte sich: Ob Josef Ratzinger so nicht etwa Vodoozauberern preisgegeben werde? Offermann konnte die Dame beruhigen. Schließlich ist er selbst bekennender Katholik, seine inzwischen verstorbene Tante habe sogar als Dolmetscherin für den Vatikan gearbeitet.

Beim Dalai Lama war das Geschäft lahmer. Obwohl sich Schildkröt bei der Zusammenstellung der Farbpigmente größte Mühe gegeben hat, die Haut des Reinkarnierten soll exakt der typisch tibetanischen Färbung treffen, sind immer nicht etliche Gottheiten aus Plastik zu haben. Und der Tibet-Verein hat Offermann bös‘ beschimpft. Gottheitslästernd sei sein Handeln. Offermann antwortete, dass D.L. höchstselbst sein Okay gegeben hätte. Darauf die Tibetaner: „Seine Heiligkeit ist schnell lenkbar.“

Nach dem Stellvertreter Christi und dem wiedergeborenen Gott nun Angela Merkel. Eine Nummer kleiner ging es für Offermann nicht. Sollte in den Spitzengesprächen wiederum keine Lösung finden, plant er den nächsten Coup: Merkel und Schröder als kämpferisches Doppelpack mit Boxhandschuhen. Den Kanzler möchte er nicht vermarkten. „Nach seinem Auftritt in der Elefantenrunde ist Schröder weder darstellbar noch verkaufbar.“

LUTZ DEBUS