Kommentar US-Regierungsbildung: Trump und seine Wölfe

Für das liberale Amerika wäre Trumps Präsidentschaft apokalyptisch. Um ihn zu stoppen, müssen Demokraten und Republikaner kooperieren.

Protestmarsch gegen die Wahl von Donald Trump in der New Yorker Innenstadt

Bisher findet noch vieles hinter verschlossenen Türen statt Foto: dpa

Jetzt in diesen Tagen, in denen Donald Trump auf seinem Golfplatz seine zukünftigen Gesellen um sich schart, denken viele Republikaner an Ronald Reagans „Morning in America.“ Amerikas Liberale denken aber eher an ein wachsendes Wolfsrudel in der Dämmerung, heulend und zähnefletschend.

Wölfe sind bekanntlich vorsichtig, wenn sie die Jagd aufnehmen. Der Erfolg ist sehr ungewiss. Aber reüssiert der Leitwolf mit seinen Helfern, dann sind sie in der Lage, Unmengen rohes Fleisch zu verschlingen, bis zu 20 Prozent des Körpergewichts, bei einem großen Wolf also bis zu 10 Kilogramm auf einmal. Die Politiker, Bankiers und Generäle um Trump herum sind wie diese Wölfe, die nicht wissen, ob und wann sie in ihrem Leben wieder an etwas herankommen werden.

Es muss nicht gesagt werden, dass dies für Amerikas Liberale eine äußerst unangenehme Sache ist: Diese Wölfe schwärmen aus, sind nicht immer leicht zu erkennen, wie dunkle Schatten über dem Eis. Die liberalen Verteidigungslinien sind wie aufgelöst, etwa die um Hillary Clinton, die von sich behauptet hat, zwischen den Amerikanern und der Apokalypse zu stehen. Aber auch Barack Obamas Erbe als Verteidigungslinie schmilzt gerade dahin wie das Grönlandeis. Mit der Wahl von Donald Trump hat sich die Kette der mythologischen Gestalt des Fenriswolfs gelöst wie am Anfang der nordischen Sage der Götterdämmerung.

Liberale redeten von dieser Apokalypse eher abstrakt. Etwa vom Ende der weißen Mehrheit, als ob das eine Art Aktie wäre, die bei dem demografischen Wandel die zukünftigen Mehrheiten der Demokraten garantieren würde. Jetzt müssen sich die Demokraten Sorgen um ihre Grenzen machen. Nicht etwa die Grenze zu Mexiko, sondern diejenigen, die für den Liberalismus selbst wichtig sind, etwa die Grenze zwischen privaten und öffentlichen Geschäften, die Trump zu überschreiten verspricht, oder die Grenze zwischen zivilen und militärischen Führungsebenen.

Wissen um die institutionellen Schwächen

Dass die Ängste nicht unbegründet sind, zeigt auch, dass nicht wenige Konservativen sie teilen. Der Bush-Redenschreiber und Autor des Begriffs „Achse des Bösen“, David Frum, lehnt Donald Trump ab. Er will zusammen mit Anhängern der Demokraten die neue Regierung mit allen Mitteln bekämpfen. Demokratische Delegierte wollen bei der offiziellen Präsidentenwahl am 19. Dezember mindestens neun republikanische Delegierte umstimmen, damit sie gegen Trump votieren. Im Gegenzug wären sie bereit, einen Alternativkandidaten wie den republikanischen Mitt Romney mitzutragen. Ihre Geste dabei ist, als ob sie Sozialdemokraten im Jahr 1933 wären, die gegen das Ermächtigungsgesetz vergeblich, aber heroisch stimmen.

Hinter diesen Ängsten steht das Wissen um die institutionellen Schwächen des liberalen Amerika. Manche dieser Schwächen sind alt, andere sind in den vergangenen Jahren dazugekommen. Dass es schwierig ist, die privaten Geschäfte von den öffentlichen Geschäften des Präsidenten zu trennen, beziehungsweise es äußerst schwierig sein wird, Trump zu zwingen, sich von seinem weltweiten Hotelimperium zu trennen, hat damit zu tun, dass die Gründerväter im 18. Jahrhundert auch zum Teil schwer zu veräußernde Ländereien mitsamt Sklavenbesitz besaßen.

In einem liberalen System von „checks and balances“ hat der Präsident immerhin einige aristokratische Privilegien. Skurril sind auch die komödiantischen Talente Trumps. Die Idee, ihn von seinen weltweiten Geschäften zu trennen, etwa seine Firmen in „blind trusts“ zu verbannen, kommentierte er so: Es gebe Menschen, die wollen, dass er nie in seinem Leben seine Tochter Ivanka wiedersehen könne.

Andere Institutionen der Republik tun sich schwer in Zeiten Amerikas informellen globalen Imperiums. Das Weiße Haus war bisher immer der ehrwürdige Sitz des Präsidenten. Jetzt will Donald Trump seine Familie in New York lassen und sie regelmäßig am Wochenende besuchen. Er zeigt damit, dass er von Washington unbeeindruckt ist und lieber anderswo ist, wenn irgend möglich. Der zweite Bush hat mit seinem Anwesen in Texas schon Züge davon gezeigt, Trump absentiert sich im Voraus aber besonders eigenwillig.

Donald Trump hat „bling-bling“ erfunden

Die Liste der Grenzüberschreitungen lässt sich beliebig weiterführen. Mit seinem Mangel an Erfahrung wird Trump kaum die Generäle, mit denen er sich umgibt, in Schach halten können. Wie wird sich Trumps große Offenheit zu Autokraten wie Putin entwickeln? Der zweite Bush guckte in Putins Augen und sah seine Seele, Trump sieht Putin an, sieht dessen einsatzbereite Armeen und denkt vielleicht, er hätte einen Handlanger.

Für den kommenden Präsidenten gilt: „What’s good for Trump is good for America“

Der Fokus auf Trump ist hypnotisch, aber der Schreck ist natürlich, dass Trump so viele Wähler hatte, die seinen jetzigen Griff nach der Macht gutheißen. Trump denkt, dass das, was einst für General Motors galt, auch für ihn gilt: „What’s good for Trump is good for America.“ Seine Wähler waren zwar nicht die Mehrheit der Wähler, aber im amerikanischen System so gut wie das. Und wenn die Trump-Wähler in diesem System die faktische Mehrheit bilden, dann werden sie bedrohlich, weil eine Demokratie der Mehrheiten ohne liberale Kontrollmomente sehr gefährlich ist.

Denn es ist ja nicht zum Ende der weißen Wählermacht gekommen. Die Weißen, die Schwarzen, die Latinos sind ja alle noch da. Das ist der Fehler des apokalyptischen Denkens. Mit der Ankunft von Trump droht aber vielmehr das Ende des liberalen Amerikas. Es ist die Mittelklasse, die ausstirbt, die Mittelklasse, die ihre vielen Tugenden der amerikanischen Demokratie zur Verfügung gestellt hat. Donald Trump hat „bling-bling“ erfunden, bevor es überhaupt den ersten Rapper gab.

Wenn Donald Trump jetzt das Straßennetz halb privatisiert, müssen die Demokraten sich fragen, was sie zu ihren Zeiten mit den Schulen gemacht haben, nämlich oft genug auch eine halbe Privatisierung. Wenn die Republik sich zunehmend mit dem Empire schlecht verträgt, müssen die Demokraten sich fragen, wieso sie in acht Jahren Guantánamo nicht schließen konnten. Trump wird die Sünde seiner Vorgänger als Drehbuch nehmen und mit wölfischem Treiben potenzieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.