Ego-Shooter im Ersten Weltkrieg: Actionreiches Geballer ohne Tiefgang

Battlefield 1 sieht schick aus und unterhält gut. An den entscheidenden Punkten bleibt das Spiel aber viel zu oberflächlich.

Zwei Soldaten stehen in einem Gefechtsgraben, über den Graben springt ein Pferd mit Reiter, im Hintergrund explodiert etwas

Mit dem Pferd ins Getümmel: Nur eine von vielen Möglichkeiten in Battlefield 1 Foto: Electronic Arts

Spoiler-Hinweis: Dieser Text verrät Inhalte aus der Singleplayer-Kampagne von Battlefield 1.

Der virtuelle Krieg beginnt hässlich. Die deutschen Feinde stürmen über das Schlachtfeld heran. Soldatenmassen prallen aufeinander. Als Spieler_in schlüpft man in die Rolle von Julius Beaufort. Er ist Teil einer britisch-französischen Einheit, die ihre Stellung – ein paar bröckelnde Hausmauern mit Stacheldraht davor – halten soll. Aber die Einheit hält gar nichts. Beaufort fällt – und viele mit ihm.

So beginnt die Singleplayer-Kampagne des neuen Ego-Shooters Battlefield 1. Die Entwickler_innen führen den Spielenden gleich zu Beginn ihre Machtlosigkeit vor Augen. Es ist egal, wie gut man den Soldaten steuert. Wie schnell man zielt, wie viele Gegner man erledigt. Beaufort und seine Kameraden sterben wie die Fliegen.

Auf diese erschütternden Szenen folgt leider pathetisches Geschwafel des Erzählers. Irgendwas mit Ehre. Als ob die eine Rolle spielt, wenn Tausende dahingerafft werden. Nach der Einleitung stehen fünf neue Protagonist_innen – tatsächlich ist eine Frau dabei, und sie ist nicht halbnackt (!) –, zur Auswahl. Ihre Einzelschicksale werden spannend, aber teilweise sehr pathetisch erzählt. Im Gegensatz zu Beaufort sind die neuen Kämpfer_innen allerdings keineswegs chancenlos. Vielmehr spielen sie sich wie Held_innen, die ihre Feinde in Rambo-Manier niedermähen, oder still und leise einen nach dem anderen ausschalten.

Am Ende ist der Singleplayer-Modus, genau wie in den Vorgängerspielen, nicht mehr als ein kurzer Einstieg ins Geschehen. Besondere Momente wie den anfangs erwähnten gibt es leider kaum, aber es gibt sie. Wenn man etwa als Brieftaube über zerstörte Schlachtfelder der Westfront gleitet, dann ist das eine beeindruckende Szene, die einem nahe geht.

Schlechtes Gewissen beim Gasangriff

Im Kern ist Battlefield 1 jedoch ein Multiplayer-Spiel. Bis zu 64 Spieler_innen treten online gegeneinander an. Zu Fuß, zu Pferde, im Panzer oder Jagdflugzeug. Gekämpft wird an den Fronten des Ersten Weltkrieges. Im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg spielte der in Shootern bislang kaum eine Rolle.

Das Verhältnis von Battlefield 1 und dem Ersten Weltkrieg lässt sich am besten am Beispiel der Gasgranaten beschreiben. Mit denen kann man gegnerische Spieler_innen aus sicherem Abstand unter Druck setzen. Entweder, ihre Soldaten fallen im Gas. Oder sie ziehen rechtzeitig die Gasmaske auf, müssen dann jedoch mit der schlechten Sicht zurechtkommen und sind so ein leichtes Ziel. Mit dem Gasangriff kommt aber auch das schlechte Gewissen. Denn an echten Gasgranaten ist natürlich nichts unterhaltsam. Sie sind Sinnbild des blanken Horrors, den Soldaten im Krieg erleben mussten.

Man erlebt in Battlefield 1 keinen Krieg. Man spielt ihn aus sicherer Distanz – und hat Spaß dabei.

Im Gegensatz zu anderen Spielen versucht Battlefield 1 meist nicht, diesen Horror darzustellen. Die erschütternde Anfangsszene des Singleplayers zeigt zwar, dass das Potential durchaus vorhanden wäre. Doch das neue Battlefield – ein Produkt für den Massenmarkt – will vor allem unterhalten. Der Slogan „Erlebe das ganze Ausmaß des Krieges“ ist dementsprechend großer Quatsch. Man erlebt in dem Shooter keinen Krieg. Man spielt ihn aus sicherer Distanz – und hat Spaß dabei. Vor allem, wenn man zusammen mit Freund_innen antritt. Denn das Game honoriert Teamarbeit mit Extrapunkten.

Immerhin versuchen die Macher_innen, historisches Hintergrundwissen zu vermitteln. Zum Beispiel über den sogenannten Kodex. Das ist eine Datenbank, in der man durch spielerische Leistungen Informationen über den Ersten Weltkrieg, historische Waffen oder militärische Taktiken freischalten kann. Wer etwa noch nichts über die Rolle der Luftschiffe im Krieg wusste, findet hier spannende Einblicke.

Zu den spielbaren Fraktionen gehören unter anderem das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn und die USA. Wieso mit dem Russischen Zarenreich und Frankreich zwei für den Krieg zentrale Staaten fehlen, ist nicht nachvollziehbar. Zumindest Frankreich soll als Erweiterung nachgereicht werden – allerdings kostenpflichtig.

Enttäuschung für Gamerinnen

Zu den Schauplätzen im neuen Battlefield zählen dichte Wälder und schlammige Gefechtsgräben an der Westfront, die weiten Gebirgszüge der Vizentiner Alpen und die mit Ruinen und Felsen bestückte Wüste Sinai. Diese Orte bieten jede Menge Abwechslung und sie sehen einfach phantastisch aus. Die Wiesen, der Dreck, die Backsteingemäuer – an der detailreichen Grafik sieht man sich so schnell nicht satt.

Battlefield 1 ist ein Ego-Shooter, der im Ersten Weltkrieg angesiedelt ist. Bis zu 64 Spieler_innen treten online gegeneinander an. Man erobert gegnerische Stützpunkte, verteidigt Areale, schießt auf Feinde, reanimiert Freunde oder sprengt Fahrzeuge. Zur Auswahl stehen eine Reihe von Waffensystemen, wie Sturmgewehre, Pistolen oder Gasgranaten. Spieler_innen können außerdem Fahrzeuge wie Panzer oder Jagdflugzeuge steuern – und auf Pferden reiten. Neben schnellem Reaktionsvermögen spielt auch Kooperation eine wichtige Rolle.

Das Spiel des Publishers Electronic Arts kostet je nach Version zwischen 59,99 und 129,98 Euro. Es ist für Windows-PCs, Xbox One und PS 4 erschienen.

Auch die dynamischen Wetterwechsel sind beeindruckend: Wenn der strahlende Sonnenschein plötzlich von dichtem Nebel verdrängt wird, müssen die Spieler_innen aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse ihre Vorgehensweise anpassen. Scharfschützen und Jagdflieger haben es dann schwer.

Soldatinnen kann man in den Online-Schlachten übrigens nicht spielen. Das ist zwar historisch korrekt, aber da Battlefield 1 an vielen Stellen eine eher freie Geschichtsinterpretation abliefert, ist das kein überzeugendes Argument. Laut einer Studie von SuperData Research sind in den USA, einem Kernmarkt für Computerspiele, ein Drittel der Shooter-Spieler_innen Frauen. So manche Gamerin würde sich mit Sicherheit freuen, wenn sie im Jahr 2016 endlich eine Soldatin statt eines Soldaten steuern könnte.

Was bleibt, ist ein ambivalenter Eindruck. Spielerisch überzeugt Battlefield 1 auf ganzer Linie. In den meist spannenden Online-Gefechten ist eine intensive Kooperation mit den Mitspieler_innen enorm wichtig. Auf den abwechslungsreichen und grafisch aufwendig dargestellten Schauplätzen kommt so schnell keine Langeweile auf.

Dieser hohe Unterhaltungsfaktor steht im Widerspruch zum schrecklichen historischen Hintergrund des Spiels. Ein Dilemma, das sich wohl nicht auflösen lässt. Ein Game, das im Ersten Weltkrieg angesiedelt ist, sollte sich aber im Rahmen seiner Möglichkeiten den Grausamkeiten des Krieges widmen. Battlefield 1 tut das leider zu wenig. Das war abzusehen – ein bisschen enttäuschend ist es dennoch.

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