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Verantwortung endet am Flughafen in Kabul

Abschiebung Laut Bundesinnenminister ist Afghanistan zuständig für sicheren Transport

Die Schutzquote für AfghanInnen sank von 78 auf 48 Prozent

BERLIN taz | Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) meint, Deutschland könne Menschen in „sichere Gebiete“ in Afghanistan abschieben. Wie rückgeführte AfghanInnen dorthin gelangen sollen – dafür fühlt sich sein Ministerium nicht verantwortlich. Das zeigt die Antwort auf schriftliche Fragen der flüchtlingspolitischen Sprecherin der Grünen Luise Amtsberg, die der taz vorliegt.

„Sofern der Ankunftsort der zurückgeführten afghanischen Staatsangehörigen in Afghanistan nicht zugleich der Zielort der Rückführung ist, liegt der weitere inländische Transfer in der Verantwortung der zuständigen afghanischen Behörden“, heißt es in der Antwort. De Maizière hatte bereits Anfang des Jahres erklärt, vermehrt nach Afghanistan abschieben zu wollen.

Es bestehe „weder ein bilaterales Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und Afghanistan“, noch sei der Abschluss eines solchen Abkommens derzeit geplant, schreibt das Ministerium. Beide Regierungen arbeiteten an einer „gemeinsamen Absichtserklärung zur Zusammenarbeit im Bereich der irregulären Migration“. Unabhängig davon beabsichtige Deutschland, „die Rückführung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen aus Afghanistan in ihr Heimatland zu intensivieren“.

Bei den Grünen stößt das auf scharfe Kritik. „Die Bundesregierung muss von der Planung verstärkter Abschiebungen nach Afghanistan sofort Abstand nehmen“, fordert Amtsberg. Es bleibe „angesichts der Menschenrechts- und Sicherheitslage skandalös“, dass Deutschland „so viel Druck auf die afghanische Regierung ausübt“. Auch in vermeintlich „sicheren Zonen“ könne es jederzeit zu Kampfhandlungen kommen, so Amtsberg. Für die Betroffenen bedeute das „Abschiebungen in lebensgefährliche Zustände“. Besonders perfide sei es, „die Verantwortung für das Wohl der zwangsweise Rückgeführten ab dem Flughafen Kabul bei der afghanischen Regierung“ abzuladen.

Diese sei nicht in der Lage, sichere Transporte über Land zu gewährleisten, kritisiert Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von Pro Asyl. In den wenigen ruhigeren Regionen sei die Polizei damit ausgelastet, die Sicherheit halbwegs zu stabilisieren. „Individueller Schutz ist da nicht leistbar. Das ist eine reine Papierkonstruktion“, sagt Mesovic. „Aber für die deutsche Seite zählt: aus den Augen, aus dem Sinn“, kritisiert Mesovic.

Erst im April hatte das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Linkspartei eingeräumt, dass „in ganz Afghanistan eine mindestens abstrakte Gefahr von Kampfhandlungen oder Attentaten“ bestehe, denen „auch Zivilisten zum Opfer fallen können“. Dennoch sei die Lage in den „meisten urbanen Zentren“ durch die afghanischen Sicherheitskräfte „ausreichend kontrollierbar“.

Die Situation in Afghanistan hatte sich in den vergangenen Monaten immer weiter verschärft. Pro Asyl spricht für das erste Halbjahr 2016 von über 1.600 Toten und mehr als 3.500 Verletzten in der Zivilbevölkerung. Die Schutzquote für Geflüchtete aus Afghanistan sank in Deutschland hingegen von 78 Prozent im Jahr 2015 auf gerade mal 48 Prozent im August dieses Jahres. Ende Januar 2016 ­befanden sich 11.122 ausreisepflichtige AfghanInnen in Deutschland – 10.417 davon mit Duldungsstatus. Dinah Riese

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