heute in Bremen: „Senat müsste nur wollen“
Demo Gegen die Verschiffung von Elektroschrott wird heute beim Häfensenator protestiert
36, Politikwissenschaftler, ist Geschäftsführer des Bremer entwicklungspolitischen Netzwerks (BEN).
taz: Herr Duis, was macht den Export von Elektronikschrott lukrativ?
Christopher Duis: Das ist ziemlich klar: Die reguläre Entsorgung hier kostete viel mehr Geld. Indem man ihn beispielsweise nach Ghana verschifft, umgeht man Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen …
… wie die ILO-Standards?
Die fordern wir. Aber davon ist man meilenweit entfernt: Die Standards der Weltgewerkschaft des International Labour Office legen ja ein reguläres Arbeitsverhältnis zugrunde. Das gibt es auf den Halden von Accra nicht: Das ist ja komplett illegal.
Sie protestieren beim Häfen- senator mit einer 200-gliedrigen Postkartenkette. Warum haben Sie sich für Bilder von BremerInnen entschieden, anstatt vom Elend dieser Halden und Fotos von der Quecksilber- und Chemie-verseuchten Korle-Lagune?
Das wäre möglicherweise eindrucksvoller gewesen. Allerdings ist unser Anliegen, das Problem auch lokal zu verorten. Wir wollen, dass die Leute hier in Bremen ein Bewusstsein dafür entwickeln, was die Masse an elektronischen Geräten für die Welt bedeutet – angefangen von den Zuständen in den Coltan-Minen des Kongo bis zum Umgang mit dem Schrott.
Was könnte denn das kleine Bremen dagegen tun?
Das kleine Bremen kann sehr viel tun, und es wäre auch gar nicht so schwer. Das Ganze ist nämlich illegal. Es ist verboten, Elektroschrott auszuschiffen. Und die Polizei sagt sogar, dass sie die Container kontrolliert. Es ist nur nicht geklärt, was im Verdachtsfall zu geschehen hat.
Bremens Politik müsste nur wollen?
Ja, der Senat müsste das nur regeln wollen, und ich verstehe nicht, warum er es nicht tut: Eine Schutzbehauptung ist zwar immer, beim Export-Schrott handele es sich um Gebrauchtware, die auszuführen erlaubt wäre. Aber das lässt sich leicht erkennen.
Wie denn?
Wenn der Netzstecker abgerissen ist oder die Platine verschmort, ist das Zeug nur noch Schrott. Und wenn das bei einer Kontrolle entdeckt wird, müssten halt entsprechende Strafen verhängt – und die fachgerechte Entsorgung angeordnet werden. Viele der Wertstoffe lassen sich gut wiederverwenden.
Das Verrückte ist ja: Das Problem ist gravierend, es ist seit gut zehn Jahren bekannt, es hat viele Kampagnen gegeben – aber eigentlich wächst der Müllberg immer weiter.
Ja, es hat sich nicht viel getan, das ist richtig. Ich vermute, dass die persönliche Beziehung zu den elektronischen Geräten geringer ist als zu Genussmitteln wie Kaffee oder Tee und auch zu Kleidung. Da ist es gelungen, ein Bewusstsein für die Probleme zu schaffen. Umgekehrt gibt es auch so gut wie keine Elektronik-Angebote, auf die man zurückgreifen könnte, wenn man Wert auf Nachhaltigkeit und einen fairen Produktionsprozess legt. interview: bes
11 Uhr, Übergabe der Postkartenkette, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Schlachte 3
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