Die Trägerunserer Bilder

Archiv Die Deutsche Kinemathek erörtert mit einem „Filmerbe-Festival“ die Fragen des Umgangs mit der Digitalisierung

Ein Tag im Leben eines Fotografen: „Uliisses“ (BRD 1982, Regie: Werner Nekes) Foto: Deutsche Kinemathek

von Fabian Tietke

Die Digitalisierung des Kinobetriebs bedeutet auch für Filmarchive und die Aufführung historischer Filme einen Paradigmenwechsel. Dieser hat sich in Deutschland bislang reichlich unauffällig vollzogen: Nur wenige Diskussionen über die Auswirkungen dieses Wandels fanden den Weg in eine breitere Öffentlichkeit. Dabei werden diese die Sichtbarkeit des deutschen Filmerbes nachhaltig verändern. So hat die Mehrzahl deutscher Filmarchive unter anderem in Folge der spärlichen finanziellen Ausstattung die pragmatische Entscheidung getroffen, nicht länger neue analoge Filmkopien für die Vorführung in Kinos herzustellen. Diese Praxis hat schon jetzt zu einem nahezu irreversibelen Abbau von technischer Infrastruktur wie Kopierwerken geführt.

Die getroffenen Entscheidungen werden die Sichtbarkeit des deutschen und internationalen Filmerbes auf lange Zeit prägen. Eine breitere öffentliche Debatte über den Stellenwert des Filmerbes und den Umgang mit ebendiesem in Zeiten der Digitalisierung wäre also wünschenswert. Einen großen Schritt in diese Richtung unternimmt nun die Deutsche Kinemathek in Berlin mit einer Veranstaltung mit dem etwas gewollt neumodischen Titel Film:ReStored_01 – Das Filmerbe-Festival. Von Donnerstag bis Sonntag präsentiert die Kinemathek am Potsdamer Platz im Rahmen einer Konferenz eine Reihe von Vorlesungen und Diskussionen aus der internationalen Welt der Filmarchive rund um die Fragen des Umgangs mit der Digitalisierung. Begleitet wird diese Konferenz von einer Reihe von Filmvorführungen, die nicht bloß illustratives Begleitprogramm, sondern praktischer Prüfstein der Diskussionen der Konferenz sind.

In technischer Hinsicht markieren die Filmvorführungen aufgrund ihres Projektionsformat den Standpunkt der Deutschen Kinemathek: Obwohl jeder der Filme auf analogem Film produziert wurde, laufen alle Filme als Digital Cinema Package (DCP), dem aktuellen digitalen Kinostandard. Dass die Frage, ob diese Verschiebung vom Analogen auf das Digitale zulässig ist und was sich mit diesem Wandel des Trägermediums verbindet, zur Sprache kommen wird, dafür garantiert schon die Einladung Paolo Cherchi Usais vom George-Eastman-Museum in Rochester. Usai ist einer der prominentesten Verfechter des analogen Films in der Welt der Filmarchive und wird sowohl den ersten Vortrag der Konferenz halten als auch kurz darauf mit dem Leiter des Bundesarchivs, Michael Hollmann, auf einem Podium diskutieren. Interessant dürfte diese Diskussion auch werden, weil das Bundesarchiv-Filmarchiv erst jüngst das hauseigene analoge Kopierwerk abgeschafft hat, um für ein digitales Kopierwerk Platz zu schaffen.

Erfreulich ist, dass die Probleme bei der Digitalisierung von experimentellen Filmästhetiken besonderen Raum bekommen. Gerade im Bereich des experimentellen Films ist das Material oft nicht nur materieller Träger des Filmbilds gewesen, sondern integraler Bestandteil der Ästhetik und des Konzepts des jeweiligen Films. Der technische Leiter des Archivs der Deutschen Kinemathek Daniel Meiller wird auf dieses Problem in einem Vortrag am Freitagnachmittag eingehen. Am Abend folgt mit der Vorführung von Werner Nekes Uliisses ein Beispiel.

Uliisses“ ist ein Film, der um 1980 an einer Umbruchsstelle entstanden ist

Nekes Film ist ein ideales Beispiel für die Diskussion über analogen und digitalen Film. 1982 entstanden erzählt „Uliisses“ einen Tag im Leben des Fotografen Uli. Der Titel ist ebenso sehr eine Zusammenziehung von „Uli isses“ wie eine Anspielung auf James Joyce’ Roman Ulysses. Der Filmwissenschaftler Klaus Kreimeier schrieb 2013 über den Film: „Uliisses ist ein Schwellenfilm, genauer: ein Film, der um 1980 an einer Umbruchsstelle entstanden ist. Das elektronische Bild hatte die technische Grundlage der Bildproduktion radikal verändert. […] Heute, mehr als 30 Jahre später, können wir hinzufügen: Uliisses steht auch an einer Schnittstelle zwischen den analogen und digitalen Medien.“

Dass die Kinemathek die Konferenz und das Filmprogramm als Festival bezeichnet, ist einstweilen mit Blick auf das klassische Konferenzformat etwas hoch gegriffen. Andererseits verheißt das Label Festival eine langfristige Perspektive für die Diskussionen rund um Filmerbe und Digitialisierung – dies wäre sehr zu begrüßen.

Film:ReStored_01 – Das Filmerbe-Festival: Filmhaus am Potsdamer Platz, 22.–25.9., www.deutsche-kinemathek.de