piwik no script img

Aufstieg im Gerichtssaal

URTEIL Der SV Wilhelmshaven wollte partout keine Ausbildungsentschädigung nach Argentinien überweisen – und hat nun vorm Bundesgerichtshof recht bekommen

Auslöser des Streitfalls: Sergio Sagarzazu (l.), den der SV Wilhelmshaven vom argentinischen Klub River Plate verpflichtete Foto: imago

aus Karlsruhe Christian Rath

„Die Anordnung des Zwangsabstiegs war nichtig.“ Mit diesen Worten machte der Vorsitzende BGH-Richter Alfred Bergmann die Verantwortlichen des SV Wilhelmshaven glücklich. Nach neunjährigem Kampf hat der Fußball-David aus Norddeutschland doch noch gegen den Weltverband Fifa gesiegt – wenn auch nur aus formalen Gründen.

Der Konflikt begann schon in der Spielzeit 2006/2007. Damals verpflichtete der SV Wilhelmshaven den 19-Jährigen Spieler Sergio Sagarzazu aus Argentinien. Der junge Mann konnte sich in Wilhelmshaven zwar nicht durchsetzen, doch die beiden argentinischen Vereine, bei denen Sagarzazu zuvor gespielt hatte, verlangten eine Ausbildungsentschädigung, zusammen rund 160.000 Euro.

Die Wilhelmshavener sahen es nicht ein, an Großvereine aus Buenos Aires Geld zu überweisen. Doch der Sportgerichtshof Cas bestätigte die Zahlungspflicht. Als sich der Verein weiter weigerte, verfügte die Fifa zunächst Punktabzüge, dann einen Zwangsabstieg. Der zuständige Norddeutsche Fußballverband setzte den Abstieg am Ende der Spielzeit 2013/14 fest.

Wilhelmshaven will nun auch Schaden­ersatz für die ökonomischen Verluste

Damals spielte der Verein in der viertklassigen Regionalliga. Für die darunter liegende Oberliga erhielten die Wilhelmshavener aus wirtschaftlichen Gründen keine Lizenz. So spielten sie in der Landesliga, wo sie dann aber sportlich erneut abstiegen. Derzeit kämpft der SV Wilhelmshaven in der siebtklassigen Bezirksliga um Punkte.

Das alles hätte nicht sein müssen. Denn der BGH stellte nun fest, dass sich in der Satzung des Norddeutschen Fußballverbands gar keine Bestimmung fand, die einen Zwangsabstieg bei verweigerter Ausbildungsentschädigung vorsieht. Auch ein Verweis auf möglicherweise passende Klauseln in der DFB- oder Fifa-Satzung fehlte. Ein derartiges Urteil hatte sich schon bei der Verhandlung im Juli angedeutet.

Der SV Wilhelmshaven will nun wieder in der viertklassigen Regionalliga spielen. „Wir werden die Rückstufung zur Saison 2017/2018 beantragen“, sagte Vorstand Hans Herrnberger. „Dann werden wir unseren Kader entsprechend verbessern. Wegen uns muss aber niemand absteigen, man kann in der Regionalliga auch mal eine Saison mit 19 Mannschaften spielen“. Der Norddeutsche Fußballverband wollte zunächst nicht Stellung nehmen.

Doch der SV Wilhelmshaven will nun auch Schadenersatz für die ökonomischen Verluste durch den Zwangsabstieg erstreiten. „Man muss ja nur vergleichen, wie viele Zuschauer und Sponsorengelder wir in der Regionalliga hatten und wie viele wir jetzt haben, dann sieht man die Einbußen“, argumentierte der SVW-Präsident. Er hofft allerdings, dass man sich mit dem Verband auch ohne erneuten Rechtsstreit einigen kann.

Die Revoluzzer: Hans Herrnberger, Präsident des SV Wilhelmshaven (l.), mit einem Klubmitglied Foto: Foto. dpa

Die Landesverbände des DFB müssen nun wohl auch ihre Satzungen nachbessern, damit sie künftig die von der Fifa verhängten Sanktionen wirksam umsetzen können. Sonst dürfte bald auch der DFB Ärger mit der Fifa bekommen.

Die Frage der Ausbildungsentschädigung hatte in der Zwischenzeit bereits der Europäische Gerichtshof geklärt. 2010 billigte der EuGH solche Entschädigungen in einem Fall aus Frankreich (Az.: C 325/08). Danach stellen die Entschädigungen zwar eine Einschränkung der Freizügigkeit für Berufssportler dar. Sie seien aber gerechtfertigt, weil sie die Vereine zur Ausbildung junger Spieler ermutigen. Der EuGH gab allerdings vor, dass nur die tatsächlich aufgewandten Kosten als Entschädigung verlangt werden können. Das dürfte noch Konflikte mit der Fifa geben, die die Entschädigung an den Kosten misst, die der neue Verein einspart. Im Fall Wilhelmshaven war dies ein deutlicher Unterschied, weshalb bereits das Oberverwaltungsgericht Bremen dem SVW Recht gab. Der BGH ging auf diese Frage nun aber nicht näher ein, weil er (mit der mangelhaften Satzung) bereits eine andere Lösung gefunden hatte. (Az.: II ZR 25/15)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen