Nicht genügend Gefängniswärter: Personalnot sorgt für Unruhe

In Hamburg-Billwerder können Gefangene nicht ihren Arbeitsplatz aufsuchen. Auch in Schleswig-Holstein protestieren Häftlinge für mehr Personal.

Falscher Tagesablauf: Länger als sonst mussten Gefangene der JVA Billwerder diesen Ausblick genießen. Foto: Carsten Rehder/dpa

HAMBURG taz | Kein Gang zur Arbeit, dafür vorgezogener Hofgang: Für zahlreiche Insasen der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Billwerder war der gestrige Donnerstag nicht wie sonst – weil aus Sicht der Anstaltsleitung Personalnotstand herrschte. Eine Folge: Bis auf wenige Ausnahmen konnten die männlichen Häftlinge weder Weiterbildungsmaßnahmen noch die anstaltseigenen Betriebe aufsuchen, wo die allermeisten von ihnen täglich arbeiten. „Bei den inhaftierten Frauen gab es keine Einschränkungen“, sagt Thomas Baehr, Sprecher der Hamburger Justizbehörde.

Der Grund: Aus Anlass des islamischen Opferfestes sei am Nachmittag der türkische Generalkonsuls zu Besuch gekommen. „Man kann nicht alles auf einmal haben“, sagt Baehr. Deshalb seien Freistunde und Hofgang der Häftlinge auf den Vormittag gelegt und die Arbeit eingestellt worden. „Das führt bei einzelnen Gefangenen zu Verärgerungen.“ Allerdingst entgeht den Betroffenen durch einen entfallenden Arbeitstag auch der Lohn; je nach Bundesland können sich JVA-Insassen zwischen 7,60 und 12 Euro pro Tag verdienen. Der Umschluss auf den Stationen, also eine der wenigen Optionen der Freizeitgestaltung, sei am Nachmittag aber gewährleistet gewesen, sagt Baehr.

Anders war das in der vergangenen Woche bei den Untersuchungshäftlingen in Billwerder: Die gemeinsamen Freizeitaktivitäten mussten teilweise ausfallen – wiederum begründet mit akutem Personalmangel. Insassen berichten: „Es gab die Möglichkeit, am Freigang im Hof teilzunehmen oder sich alternativ in der Zelle einschließen zu lassen.

Behördensprecher Baehr widerspricht Vermutungen, dass die Maßnahme auch ein Protest des Vollzugsaparats gewesen sein könte: Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) werkelt derzeit an einem Resozialisierungsgesetz, das Gefangene auch durch Vollzugslockerungen besser auf die Freiheit vorbereiten will.

Stößt der Grüne damit auf wenig Zustimmung im konservativen Lager, übt andererseits auch die Linke Kritik: „Es ist ein richtiger Ansatz, um den Verwahrvollzug zu überwinden und die Resozialisierung zu stärken“, sagt der justizpolitische Sprecher von deren Bürgerschaftsfraktion, Martin Dolzer. Er beklagt aber, dass im Haushaltsplan keine zusätzlichen Mittel für Personal eingeplant seien.

Senator Steffen hofft neben Umstrukturierungen auch durch Kooperation mit Schleswig-Holstein die vorhandenen Ressourcen besser nutzen zu können. Ausgerechnet im dortigen Neumünster indes hat die Personalknappheit in der JVA sogar zu einer Aktion des „kollektiven Ungehorsams“ geführt: 32 Häftlinge weigerten sich am Mittwoch voriger Woche, nach dem Freigang in ihre Zellen zurückzukehren. Von „passivem Widerstand“ sprach der stellvertretende Anstaltsleiter Jens Helbig. Laut dem Kieler Justizministerium war die Situation „nach 25 Minuten“ geklärt.

Hintergrund ist das neue Strafvollzugsgesetz, das seit 1. September Erleichterungen für Häftlinge vorsieht: Sie dürfen private Kleidung tragen und müssen sich nur noch zu bestimmten Zeiten – und zwischen 20.30 Uhr und 7 Uhr früh – einschließen lassen.

Thorsten Schwarzstock, GEwerkschafter

„In Neumünster kam zu der absurden Situation, dass die Häftlinge auf dem Hof mehr Justiz-beamte forderten“

Der Vollzug tut sich schwer damit, diese Neuerungen auch umzusetzen. Man sei „personell, organisatorisch und baulich kaum in der Lage, diese Erleichterungen zu ermöglichen“, sagt Thorsten Schwarzstock, Landeschef der Fachgruppe Justiz bei der Gewerkschaft der Polizei. „Deshalb kam es in Neumünster zu der absurden Situation, dass die Häftlinge auf dem Hof auch mehr Justizbeamte forderten.“

Von grundsätzlichem Mangel wollte die Chefin der JVA Neumünster, Yvonne Radetzki, gegenüber dem Flensburger Tageblatt nicht sprechen. Sie räumte aber ein: „Tage mit hohem Krankenstand beim Personal und vielen Vorführungen bei Gerichten oder Ärzten können den Betrieb einer Anstalt schon mal lahmlegen.“ Das Kieler Ministerium gab sich zuletzt zuversichtlich, das Problem durch neue Schichtpläne zu bewältigen.

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