: Schluss mit dem Tunnelblick
Transparenz Mit viel Bürgerbeteiligung will die Hochbahn Akzeptanz für ihre U-Bahn-Pläne erreichen. Eine Lehre aus dem Debakel um Stadtbahn und Busbeschleunigung
von Sven-Michael Veit
Für Henrik Falk geht es um „eine faire und offene Beteiligung der Anwohner“. Es könne ja nicht sein, dass diese „nur über die Farbe der Fliesen im Bahnhof“ mitreden dürften, sagt der neue, seit Februar amtierende Chef der Hamburger Hochbahn (HHA). Die Transparenz der Planungen sei notwendig bei allen Fragen, „die uns im nächsten Jahrzehnt beschäftigen werden“, verkündet Falk das Ende des Tunnelblicks. Er meint damit vor allem den Ausbau der Linien U 1 und U 4 sowie den Neubau der U 5 von Bramfeld bis zum Osdorfer Born (siehe Kasten).
Um das alles vor Ort zu vermitteln, hat die Hochbahn jetzt eine achtköpfige Stabsstelle eingerichtet, die sich ausschließlich um Bürgerbeteiligung kümmert. Es gehe darum, Ängste und Misstrauen durch Offenheit abzubauen, sagt deren Leiter Andreas Ernst. Das sei „auch eine Lehre aus dem Scheitern der Stadtbahn“, räumt er ein.
Die schwarz-grüne Koalition hatte mit ihren Plänen für eine oberirdische Stadtbahn in mehreren Stadtteilen massiven Widerstand in der Bevölkerung hervorgerufen. Vor allem am Winterhuder Marktplatz drohte 2010 eine Volksinitiative, die Trassenführung zu kippen. 2011 kassierte deshalb der neue SPD-Bürgermeister Olaf Scholz die Pläne, weil die Stadtbahn „nicht durchsetzbar“ sei. Seine Alternativplanung für eine Busbeschleunigung indes war es in weiten Teilen auch nicht, vor allem um Parkplätze fürchtende Autofahrer verstanden es, sich Gehör zu verschaffen.
Und weil eben das mit dem Ausbau des U-Bahn-Systems nicht geschehen soll, will die Hochbahn nun Anwohner in einem Umfang beteiligen, den es bei Verkehrsprojekten in Hamburg so noch nicht gab. Allein an der Strecke der geplanten U 5-Ost zwischen Bramfeld und der City Nord wohnen mehr als 50.000 Menschen, die nun zu mehreren Info-Veranstaltungen geladen werden.
Eine fünfte U-Bahnlinie und die teilweise Erweiterung von U 1 und U 4 ist die von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) politisch durchgesetzte Alternative zu früheren Stadtbahnplänen.
Das Konzept von Senat und Hochbahn vom April 2014 sieht ungefähr 30 Kilometer Gleise, 25 Jahre Bauzeit und 3,5 Milliarden Euro Baukosten vor.
Die Verlängerung der U 4 zur Horner Geest mit zwei Haltestellen soll 1,3 Kilometer lang werden.
Die erste Etappe der U 5, die U 5-Ost, soll von Bramfeld über sechs Kilometer mit sechs Haltestellen zur City Nord führen.
Die Verlängerung um die Außenalster herum durch Winterhude, Uhlenhorst, St. Georg und Rotherbaum plus Weiterführung durch den Altonaer Volkspark bis zum Osdorfer Born ist noch im Entwurfsstadium.
Und zwar zu einem Zeitpunkt, „an dem noch sehr viel offen ist“, wie Ernst sagt. Die Hochbahn präsentiert Machbarkeitsstudien, fast alle Details sind noch nicht abschließend geklärt. So stehen Lage und Gestaltung von Bahnhöfen noch nicht fest, allein für Bramfeld und Steilshoop stehen jeweils drei Varianten zur Diskussion. „Wir können den Menschen sagen, was wir machen können und was wir nicht machen können“, sagt Ernst, „dazwischen ist viel Platz für Ideen.“
Die „Blaupause“, wie Ernst es nennt, ist der künftige Bahnhof Oldenfelde an der U 1 zwischen Farmsen und Berne, ein zusätzlicher Haltepunkt für etwa 4.500 Menschen auf dieser rund drei Kilometer langen Strecke. Hier wurde die Bürgerbeteiligung in einem einjährigen Testlauf abgeschlossen, und Ernst sagt, „das Projekt ist dadurch besser geworden“. Im Ergebnis wurde die Station um 40 Meter verlegt, Autoparkplätze entfielen zugunsten von Bike+Ride-Plätzen und der Tunneldurchgang ist die ganze Nacht hindurch passierbar. Dafür entfiel ein Kiosk mit WC, weil die Anwohner einen „Trinkertreff“ befürchteten. „Wir haben viel gelernt“, sagt Ernst, und das soll nun auf die ungleich größeren Neubau-Vorhaben U 4 und U 5 übertragen werden.
Vor allem in Barmbek-Nord mit seinem „verdichteten Zentrum“ erwartet Hochbahn-Chef Falk nun „lebendige Diskussionen“. Nachteile bei diesem aufwendigen Verfahren sieht er nicht. Die Bürger erhielten „frühzeitig niedrigschwellige Informationen“, eventuelle Konflikte würden entkräftet sowie Kosten- und Zeitpläne besser abgesichert: „Das ist ein Lernprozess mit Vorteilen für beide Seiten.“
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