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Ein Elektro-Sechssitzer, den die Sonne lädt

Mobilität Crowdfunding soll revolutionäres Fahrzeug ermöglichen – doch Fachleute haben Zweifel

BERLIN taz | Dieses Zukunftsauto ist ein großes Versprechen. Wenn es eines Tages im Straßenverkehr fahren sollte, könnte es einen großen Schritt in Richtung funktionierender Elektromobilität markieren. Noch aber existiert der in München entwickelte Sion nur als nicht zugelassener „Pre-Prototyp, als Machbarkeitsstudie“, wie Firmenchef Laurin Hahn sagt.

Das soll sich bald ändern: Das Unternehmen Sono Motors, das hinter dem Projekt steht, sammelt mittels der Internetfinanzierungsplattform Indiegogo Geld von Unterstützern und potenziellen Käufern. Mit wenigen Euro kann jeder dabei sein, ab 100 Euro lässt sich ein Wagen vorbestellen. Über 100.000 Euro hat die Crowdfunding-Kampagne bereits erbracht – wobei deutlich mehr Geld nötig ist, um drei straßentaugliche Prototypen für Probefahrten herzustellen.

Sono Motors: Das sind sieben junge Männer und eine Frau – Studenten, Tüftler, Autodidakten. Den bisherigen Weg haben sie mit rund 100.000 Euro selbst finanziert. Als Mentoren firmieren unter anderem Jakob Assmann vom Ökoenergie-Anbieter Polarstern und Carsten Fichtel von Casitoo Design.

Im Vergleich zu existierenden E-Auto-Modellen hat das geplante Fahrzeug einige Vorteile. So soll es inklusive Batterie mit knapp 20.000 Euro nur etwa halb so viel kosten wie elektrische Pkws großer Marken. Als Kompaktvan ausgelegt, hat der Sion sechs Sitze. Auf der Außenhaut ist er mit Solarzellen ausgestattet, so dass er auch ohne Netzzugang selbst Strom für etwa 30 Kilometer täglich produzieren könnte. Die Gesamtreichweite soll bei 250 Kilometern liegen, was dank Schnellladetechnik auch Urlaubsfahrten ermöglicht. Die Firma plant, dass das Fahrzeug zudem selbst als Stromquelle zu nutzen ist: Auf dem Campingplatz kann man Lampen oder einen Flachbildschirm anschließen.

Mit bis zu zwei Kilowatt Spenderleistung sei der Sion auch für den Katastrophenschutz geeignet, wirbt Hahn. Man könne beispielsweise ein kleines elektrisches Schweißgerät oder eine Flex betreiben, ohne auf einen externen Benzingenerator angewiesen zu sein. Außergewöhnlich ist diese Technik: Im Inneren des Fahrzeugs gibt es eine Lüftungsanlage auf Basis von Rentiermoos, das Feinstaub aus der Innenraumluft filtert.

Der Wagen soll deshalb so relativ günstig sein, weil die Firma weitgehend auf die eigene Entwicklung von Komponenten verzichtet. Alles, was es gibt und passt, will man auf dem Zuliefermarkt einkaufen und schlicht zusammenbauen. Eine eigene Fabrik soll ebenfalls nicht errichtet werden. Laurin Hahn hofft, einen Automobilhersteller überzeugen zu können, den Sion auf seinen Fließbändern zu fertigen. Die Serienproduktion ist frühestens für Ende 2018 geplant.

Den geplanten Preis von 20.000 Euro hält ein Experte für ­„unrealistisch billig“

Einige Fachleute sind allerdings skeptisch. Das Projekt „hat leider keine wirkliche Chance“, sagt Cornel Stan, Professor der Hochschule Zwickau und Autor des Buches „Alternative Antriebe für Automobile“. Der Ingenieur argumentiert, für den Wagen „reicht die Energiedichte eines fotovoltaischen Systems einfach nicht“. Jens Albrecht vom Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel in Berlin sieht das ähnlich: Mit den eingebauten Solarzellen könne das Fahrzeug kaum einen „spürbaren Reichweiteneffekt“ erzielen. Derzeit sei der Wirkungsgrad von solchen Zellen zu gering. Die Konstruktion bringe also kaum Zusatznutzen. Markus Lienkamp, Professor für Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität München, bezeichnet den Sion als „unrealistisch billig“.

Wer recht behält, wird sich zeigen – sofern Sono Motors ein paar Investoren findet. Denn das Kapital aus der Crowdfunding-Kampagne wird nicht reichen, um in die Produktion einzusteigen. Hannes Koch

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