: Live aus dem Gericht
Recht Der Rechtshistoriker Ralf Oberndörfer lobt die Pläne der Bundesregierung, bedeutende Gerichtsprozesse aufzuzeichnen
Der Berliner Rechtshistoriker Ralf Oberndörfer hat die Pläne der Bundesregierung gelobt, zeitgeschichtlich bedeutende Gerichtsprozesse aufzuzeichnen und der Forschung zur Verfügung zu stellen. Gerichtsverfahren sagten viel über das Verhältnis von Staat und Bürger aus, sagte Oberndörfer jetzt der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.
Für Rechtshistoriker sei dabei nicht nur das Urteil, sondern auch die Interaktion im Gerichtssaal interessant, betonte der Wissenschaftler: „Wie reden die Richter mit Angeklagten? Sind die Prozessparteien unterwürfig? Wie plädieren die Anwälte?“ Presseberichte interpretierten das Geschehen im Licht ihrer Zeit. „Deshalb ist es sinnvoll, wenn für die Forschung auch Original-Aufnahmen zur Verfügung stehen.“
Die Bundesregierung hat den Angaben zufolge gerade einen Gesetzentwurf für mehr Medienöffentlichkeit in Gerichten beschlossen. Danach können bald Prozesse von „herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung“ von Anfang bis Ende dokumentiert werden.
Dazu zählten etwa die Nürnberger Prozesse gegen die NS-Führung nach dem Zweiten Weltkrieg, der Frankfurter Auschwitz-Prozess in den 1960er-Jahren und die RAF-Prozesse in Stammheim, erläuterte Oberndörfer. Auch das derzeitige NSU-Verfahren gegen Beate Zschäpe werde vermutlich später als wichtig angesehen.
Geschichte zeigt sich nach den Worten des Historikers nicht nur am großen Fall: „Genauso wichtig ist die Alltags- und Sozialgeschichte.“ Dazu gehörten Hartz-IV-Verfahren vor dem Sozialgericht oder Verhandlungen wegen Abschiebungen vor Verwaltungsgerichten. „Solche Verfahren lassen später vielleicht genauere Rückschlüsse auf die Gesellschaft des Jahres 2016 zu als der NSU-Prozess.“
Oberndörfer plädierte dafür, dass Historiker und Archivare in Abstimmung mit den jeweiligen Richtern entschieden, welcher Prozess aufgezeichnet werde. Es genüge seiner Ansicht nach eine akustische Aufnahme: „Kameras im Gerichtssaal könnten auch die Prozessbeteiligten verunsichern und Gerichte von einer Dokumentation abhalten.“ (epd)
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