: Schleichendes Gift und untote Abkommen
Ceta/TTIP Umweltschützer warnen vor Gefahren für Verbraucher. Nachverhandlungen gefordert
Ein Rechtsgutachten des BUND zeigt, dass das sogenannte Vorsorgeprinzip deutlich aufgeweicht werden wird. „Im Text von über 2.000 Seiten taucht dieses zentrale Prinzip des europäischen Verbraucherrechts nicht auf“, sagt Weiger. Stattdessen könnte die Nachsorge stärker in den Vordergrund rücken, also die Schadensbegrenzung, wenn es bereits Opfer gibt. Für Weiger ist das ein „Produkt des nackten Kapitalismus“.
Ein Beispiel: Will ein kanadisches Unternehmen in der EU ein Produkt vertreiben, das Stoffe enthält, die in den EU-Staaten als bedenklich eingestuft sind, muss über dessen Zulassung beraten werden. Im Freihandelsabkommen wurde vereinbart, „unnötige Regulierungsunterschiede“ zu vermeiden. Das heißt, bei der Zulassung von Produkten sind nicht nur wissenschaftliche Kriterien ausschlaggebend, sondern auch wirtschaftliche Interessen: Wie wirkt sich eine Ablehnung auf die Handelsbeziehungen aus? Welche Folgen hat dies für das Unternehmen?
Die EU-Kommission entscheidet letztlich über die Zulassung, ein parlamentarisches Verfahren ist nicht notwendig. „Ceta macht die Tür weit auf für Lobbyisten, die umwelt- und gesundheitsschädliche Stoffe und Produkte auf den Markt bringen wollen“, sagt Weiger. Er rechnet damit, dass ökonomische Interessen gegen ökologische und soziale Kriterien überwiegen.
Ceta gilt als Blaupause für das genauso umstrittene TTIP – das Freihandelsabkommen zwischen USA und EU. Derzeit stocken die Verhandlungen. SPD-Chef Sigmar Gabriel und der französische Präsident François Hollande halten das Abkommen gar für gescheitert. Tot sei TTIP deshalb noch lange nicht, glauben die Umweltschützer. BUND-Handelsexperte Ernst-Christoph Stolper spricht von einem „Zombie“, einem Untoten, der jederzeit wieder auftauchen kann.
BUND-Chef Hubert Weiger
Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen sowie Gewerkschaften haben für den 17. September zu bundesweiten Demonstrationen gegen Ceta und TTIP aufgerufen. Auch im Bundesrat wird das Abkommen – vorerst – nicht durchgewinkt werden. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat bereits angekündigt, Ceta in der derzeitigen Fassung nicht zuzustimmen. Kritik kommt auch aus Bayern. Um die Gemüter in den eigenen Reihen zu beruhigen, will die SPD auf einem Parteikonvent in knapp zwei Wochen für den freien Handel mit Kanada werben. Kritiker fordern allerdings eine Befragung der Basis nach Vorbild der österreichischen Sozialdemokraten. Tanja Tricarico
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