Nur drei Zimmer, aber die sind sehr groß

Kulturpolitik Der Rat für die Künste und die Koalition der Freien Szene haben Wahlprüfsteine formuliert. Sie luden die Spitzenkandidaten der Parteien zur Diskussion über die Berliner Kulturpolitik ins Radialsystem

Die Zukunft des Hauses der Statistik ist umstritten Foto: Jürgen Ritter/imago

von Andreas Hartmann

Der Berliner Wahlkampf kommt langsam in seine heiße Phase, man hetzt als SPD-Chef sowieso von Termin zu Termin. Muss man sich auch noch vom Rat für die Künste ins Kreuzverhör nehmen lassen? Geladen zur Podiumsdiskussion über die Berliner Kulturpolitik im Radialsystem waren ausdrücklich die Spitzenkandidaten der im Senat vertretenen Berliner Parteien, aber Michael Müller, der Regierende Bürgermeister, der im Nebenjob auch Kultursenator ist, hat sich entschuldigen lassen.

Andreas Geisel vertrat ihn, er ist Senator für Stadtentwicklung, was dann auch okay war, schließlich sollte es bei der Gesprächsrunde explizit auch darum gehen, wie man Berlin städteplanerisch für Kunst und Kultur weiterhin attraktiv gestaltet.

Auch Frank Henkel von der CDU hat es vorgezogen, sich nicht zur Kultur zu äußern, was nicht abwegig ist, weil man bei ihm nicht das Gefühl hat, er würde sich ernsthaft für etwas anderes als Innere Sicherheit interessieren. An seiner Statt kam Christian Goiny in Jeans-und-Turnschuh-Look, der in der Partei was mit Medien macht und den Eindruck vermittelte, als hätte seine Partei mit eventuellen Verfehlungen in Sachen Kulturpolitik in den letzten Jahren rein gar nichts zu tun.

Es scheint, als bereite sich die CDU bereits auf das Oppo­sitionsbänkchen vor, während der selbstbewusste Auftritt von Andreas Geisel darauf hindeutet, dass die SPD mit nichts anderem rechnet als mit einer grandiosen Wiederwahl in ein paar Tagen.

Der Rat für die Künste hat genau wie die Koalition der Freien Szene in Berlin einige Wahlprüfsteine formuliert. In diesem Katalog sind neben der Forderung für eine bessere finanzielle Ausstattung der Berliner Literaturhäuser bis zur Schaffung von mehr geförderten Ateliers sehr unterschiedliche Forderungen enthalten, die eines gemeinsam haben: Man hätte gern mehr Geld, möglichst viel mehr Geld für Kultur in Berlin, und zwar vor allem für Kultur, die sich jenseits der großen Institutionen von Philharmonie bis Opernhäuser abspielt.

Christina Tilmann und Christophe Knoch moderierten als Vertreter des Rats für die Künste und der Koalition der Freien Szene den Abend. Beide ließen sich mehrfach ihren Frust darüber anmerken, dass ihre Vorschläge für eine sinnvollere Kulturpolitik in der Realpolitik kaum ernst genommen würden. Stichwort: City Tax. Deren Einnahmen sind inzwischen hoch, und es hatte einmal geheißen, sie würden zu einem großen Teil in die Freie Szene fließen. Ankommen tue dagegen in Wirklichkeit nur ein Klacks, lautet nun die Kritik. Und das wie­derum sei, so klar formulierte es der fleißige Wahlkämpfer Klaus Lederer von den Linken, eine „Sauerei“.

Was mit den Mitteln aus der City Tax in Zukunft passieren soll, war eines der großen Themen des Abends. Dabei wurde erst einmal darüber gestritten, wie hoch die Einnahmen sind: 70 oder doch bloß 42 Millionen? Für Ramona Pop von den Grünen war die richtige Summe an dieser Stelle egal. Denn, so das Argument, würde sie die Wahl gewinnen, würde sie als erste Amtshandlung dafür sorgen, dass die gesamten Einnahmen aus der City Tax in die Kultur flössen, sagte sie.

Man hätte gern mehr Geld, möglichst viel mehr Geld für Kultur in Berlin

Das andere große Schwerpunktthema des Abends: Wie bekommt man in Berlin den Dreh hin, wieder mehr Räume für Kunst und Kultur zu schaffen? Jedes Grundstück dem freien Markt zu überlassen, da waren sich alle im Großen und Ganzen einig, würde zur Verdrängung von Off-Locations aus der Innenstadt führen. Dass Off-Kultur für Berlin einiges bedeutet, auch da herrschte Übereinstimmung, sei klar. Der Flughafen Tempelhof wurde kurz angesprochen. Der werde nicht auf alle Ewigkeit eine Flüchtlingsunterkunft bleiben, da müsse man sich schon jetzt Gedanken machen, was aus diesem werden soll. Ein „Kulturhafen“ vielleicht, so formulierte das Ramona Pop, konkreter wurde freilich niemand.

Genauer hingeschaut wurde beim Haus der Statistik am Alexanderplatz, das zum Großteil dem Bund gehört und über dessen Aufkauf seit einiger Zeit ein komplizierter Streit entbrannt ist, dessen Konfliktlinien nun auf der Bühne des Radialsystems als kleines Polittheater nachgespielt wurde. Geisel: Man stehe kurz davor, das Gebäude vom Bund zu erwerben. Pop: Um darin dann nur drei Zimmer der Kultur zur Verfügung stellen zu können. Geisel: aber drei sehr große Zimmer. Immerhin ca. 9.000 Quadratmeter. Vertreterin des Rats der Künste: Wir würden da auch gern mitreden. Geisel: Hier geht es knallhart um Geld. Wenn wir das Gebäude haben, dürft ihr auch mal was sagen. Lederer: Vor der Wahl noch schnell mal eben eine Entscheidung treffen? Das ist reines Wahlkampfgeklingel.

Bruno Kramm von den Piraten hielt sich aus diesem Hickhack meist raus. Er zitierte ­Adorno, versprach ein Grundeinkommen, alle Macht für den Rat der Künste und Förderung von Subkulturen ohne Ende. Schade nur, dass die Piraten nicht mehr in den nächsten Senat einziehen werden.