piwik no script img

Zugewuchertes Refugium

Kunstoase Abseits vom Trubel liegt in einer Nebenstraße im Schanzenviertel der Garten des Kunstfördervereins „Gartenkunstnetz“. In den zwölf Jahren, die es ihn gibt, war dort mal mehr, mal weniger Aktivität zu verzeichnen. Am heutigen Samstag steigt dort zum zehnten Mal das charmante, von Musikliebhabern organisierte „Platzfestival“

von Robert Matthies

Man muss schon genau hinsehen, um zu erkennen, was für ein Idyll sich hinter dem aus bemalten Holzplatten und Drähten zusammengebastelten Zaun verbirgt. Keine 200 Meter vom Piazza-Trubel auf dem Schulterblatt entfernt befindet sich in der Eifflerstraße, zwischen 50 Jahre alten Pappeln und dem S-Bahn-Damm, seit zwölf Jahren der kleine Platz des Vereins Gartenkunstnetz.

Ein paar rostige Container stehen darauf, eine kleine überdachte Bühne und eine Tribüne aus Holzpaletten, dazwischen lauter kleine, zugewucherte Kunstbauten: eine verwunschene Oase voller Do-it-yourself-Charme, irgendwo zwischen alternativem Stadtgarten, Bauspielplatz, Open-Air-Galerie und liebevollem Chaos; eine entschleunigte Zone weit weg vom Rhythmus der Verwertungslogik, die ringsum längst alle Brachen und Unorte in lukrative Immobilien verwandelt hat.

Tatsächlich wirkt der Platz wie aus der Zeit gefallen neben dem schicken Freelancer- und Start-up-Neubau Eifflerwerk. Diesem wäre das Projekt vor fünf Jahren fast zum Opfer gefallen. Kurzerhand erklärten die Mitglieder des Gartenkunstnetzes den von der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) gemieteten Platz damals für „besetzt“, dockten ans Netzwerk „Recht auf Stadt“ an und konnten erreichen, dass der Kunstgarten – beschnitten und um 50 Meter versetzt – bestehen blieb.

Gegründet wurde der Verein 2004 vom Obstbaumexperten und Gartenkünstler Olaf Dreyer gemeinsam mit einer Handvoll Mitstreiter mit dem Ziel, die Kunst zu fördern. Nachwuchskünstler_innen, -musiker_innen und -schauspieler_innen können sich für ein einjähriges Stipendium bewerben und im Ateliercontainer in aller Ruhe arbeiten. Denn für Dreyer ist der Anspruch von Gartenkunst universell – kein Dach über dem Kopf, aber ein Zuhause für alle Formen künstlerischer Bestätigung: „Jeder künstlerisch tätige Mensch, der außerhalb der vier Wände arbeitet, schafft Gartenkunst.“

Fiktiver Garten Eden

Neben dem Atelier für Stipendiaten bietet der Platz auch unregelmäßig Raum für Konzerte, Lesungen, Filmvorführungen und Theateraufführungen oder auch mal ein größeres Projekt. Im Rahmen von „Garten Eden #2“ etwa verwandelten gleich fünf KünstlerInnen gemeinsam mit etlichen Gästen Container und Gartenterrain in einen fiktiven Garten Eden. Einen künstlichen roten Apfelplaneten konnte man da etwa zwischen seinen natürlichen grünen Nachbarn per Bewegungssensor zum Kreisen bringen oder Mückenlarven in einem in einen Projektor eingebauten Wasserbehälter beobachten.

Endlich wiederbelebt

In den vergangenen Jahren war auf dem Platz dann nicht mehr so viel los. „Wir sind ein Wochenendverein“, erklärt Micha vom Gartenkunstnetz. Wer sich engagiert, arbeitet ehrenamtlich. Andere Projekte fordern Zeit, einige, die früher viel gemacht hätten, seien weggezogen, sagt er, die Fluktuation sei groß und das Stipendiatenprogramm dann irgendwie eingeschlafen – nicht zuletzt, weil sich keine geeigneten Stipendiaten finden ließen. Nun soll der Platz endlich wiederbelebt werden.

Wer sich einbringen möchte, findet Ansprechpartner schon an diesem Samstagnachmittag beim alljährlichen „Platzfestival“, das seit 2005 von einer kleinen Gruppe ebenso ehrenamtlich arbeitender Musikliebhaber organisiert wird, in Zusammenarbeit mit dem Gartenkunstnetz und mit feinem Gespür für wirklich Großes abseits der trubeligen Eventkultur.

Dieses Wochenende findet es zum zehnten Mal statt. Mit dabei sind Sven Kacirek, Me Succeeds, Niedervolthoudini, Wind, Skins and Wires und Isogramm.

„Platzfestival“: Sa, 27. 8., 16 Uhr, Gartenkunstnetz, Eifflerstraße 35

Infos: www.gartenkunst.net, www.platzfestival.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen