piwik no script img

Can Dündar gibt auf

Türkei „Cumhuriyet“-Chefredakteur kündigt Rücktritt an

Can Dündar, das Aushängeschild des kritischen Journalismus in der Türkei, gibt sein Amt als Chefredakteur von Cumhuriyet auf. Wie er gestern in einer Kolumne seinen Lesern mitteilte, wird er nach eineinhalb Jahren als Chefredakteur von seinem Amt zurücktreten, da er auf absehbare Zeit nicht in die Türkei zurückkehren wird. Seinen Posten wird der bisherige stellvertretende Chefredakteur Oğuz Güven übernehmen. Can Dündar ist seit Anfang Juli dieses Jahres im Ausland, nachdem ihn ein Gericht im Mai 2016 zu sechs Jahren Haft verurteilt hatte und zudem auf ihn geschossen worden war und er sich in Istanbul nur noch in Begleitung von Personenschützern bewegen konnte.

Das Urteil gegen ihn und den Leiter des Hauptstadtbüros von Cumhuriyet in Ankara, Erdem Gül, war im Mai in erster Instanz gefällt worden. Beide waren wegen Geheimnisverrats angeklagt worden, weil sie in Cumhuriyet illegale Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an islamistische Kämpfer in Syrien dokumentiert hatten. Nach dem Urteil im Mai blieben Dündar und Gül auf freiem Fuß, weil sie beide Berufung am Yargitay, dem obersten Berufungsgericht, eingelegt hatten. Der taz sagte Dündar nach seiner Verurteilung, er rechne damit, dass das Verfahren noch Jahre dauern könne.

Von dieser Einschätzung ist Can Dündar nun abgerückt. Angesichts der Ereignisse nach dem Putschversuch vom15. Juli, bei dem er sich bereits in Europa aufhielt, den Massenverhaftungen auch im Justizbereich, könne er nicht mehr mit einem fairen Verfahren vor dem Berufungsgericht rechnen, schrieb er in seiner Begründung für den Rücktritt. Dündar will deshalb zumindest so lange im Ausland bleiben, bis das gegenwärtige Notstandsregime wieder aufgehoben worden ist, das noch bis Ende Oktober dauern soll, allerdings auch noch einmal für drei Monate verlängert werden kann.

Jürgen Gottschlich, ISTANBUL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen