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„Es gibt keine Hilfsprogramme“

HELFER Nigerianer, die sich um die Kriegsvertriebenen kümmern, werfen dem Staat Untätigkeit vor und verweisen auf weiter steigende Flüchtlingszahlen

„In der Stadt kann Hilfe geleistet werden. Doch viele ­Straßen in die Dörfer sind noch gesperrt“

Timothy Cosmas Danjuma

COTONOU taz | Mittlerweile ist auch in Nigeria das Entsetzen groß. Radiosendungen und Zeitungen sind voll davon. Nach Jahren des Stillschweigens sind die über 2 Millionen Binnenvertriebenen im Nordosten des Landes zu einem wichtigen Thema geworden. Hauptaufreger ist die katastrophale Versorgungslage, vor allem in den Camps im Bundesstaat Borno.

Trotz der sich häufenden Alarmrufe der internationalen Hilfswerke hat sich in Bornos Hauptstadt Maiduguri, in der sich im Jahr 2002 die Terrorgruppe Boko Haram gegründet hatte, kaum etwas geändert, bedauert Timothy Cosmas Danjuma. Er ist Koordinator des Komitees für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden (JDPC) der katholischen Kirche, das sich um Binnenflüchtlinge kümmert.

„In der Stadt kann zwar Hilfe geleistet werden, doch viele Straßen in die Dörfer sind noch gesperrt“, sagt Danjuma. Dorthin können Transporte weiterhin nur mit bewaffneter Eskorte durch die Armee durchgeführt werden. Weitab von Maiduguri, so schätzt Danjuma, dürfte die Not am größten sein.

Was es außerdem kompliziert macht, den Kriegsopfern Hilfe zu leisten, ist der Mangel an Organisation. Als Boko Haram immer mehr Gebiete einnahm, entstanden zwar einige private und staatliche Flüchtlingscamps, doch die Mehrheit derjenigen, die vor Boko Haram die Flucht ergriffen, suchte bei Verwandten und Freunden Unterschlupf. Gastkommunen nahmen zahlreiche Menschen auf. „Dafür gibt es aber so gut wie keine Hilfsprogramme“, bedauert Danjuma.

Auch der Wunsch, Boko Haram würde bald der Vergangenheit angehören, ist bisher nicht in Erfüllung gegangen. Im Oktober 2015 ließ die Provinzregierung von Borno, ermutigt durch eine Reihe von Erfolgen des nigerianischen Militärs, verkünden, dass bis Ende März 2016 alle Flüchtlingsunterkünfte geschlossen werden könnten. Doch vielerorts ist das Gegenteil eingetreten.

„Ich nehme wieder mehr Menschen auf“, sagt Maurice Kwairanga, JDPC-Leiter in der Stadt Yola. „Heute haben wir 866 Menschen im Flüchtlingscamps Sankt Theresa und somit 10 mehr als noch vor einer Woche.“ Die Lage in seinem Bundesstaat Adamawa sei nicht so kritisch wie in Borno, aber aus Kleinstädten wie Madagali, die im Norden Adamawas liegen, würden regelmäßig Binnenflüchtlinge kommen. „Die Situation ist weiterhin viel zu gefährlich.“ Augenzeugen berichten über Boko-Haram-Kämpfer sowie deren Mitläufer, die sich weiterhin in der Gegend aufhalten und nachts Dörfer ­überfallen.

Kwairanga steht nun vor der Aufgabe, die Geflüchteten zu versorgen. „Gestern war ich bei Nema“, erzählt er von seinem Besuch bei Nigerias staatlicher Nothilfebehörde. „Das, was ich bekommen habe, ist viel zu wenig.“ Nema ist verantwortlich für die staatlichen Camps, in denen fürchterliches Elend herrscht. Die Regional­organisation in Borno hatte schon im Februar bekannt gemacht, dass im Jahr 2015 insgesamt 450 Kinder in den Lagern an Unterernährung gestorben seien. Weder in Nigeria noch international hatte das damals zu einem Aufschrei geführt.

Erst jetzt findet die Lage Aufmerksamkeit. Auch in der Millionenstadt Maiduguri haben schon seit Jahren Hunderttausende Menschen vor den Übergriffen von Boko Haram im Umland Schutz gesucht. Aber es wurde nichts getan, um Maiduguris Infrastruktur an das Wachstum anzupassen. „Die Stadt stößt an ihre Limits“, sagt Politikwissenschaftler Haruna Yerima, der aus Borno stammt. Katrin Gänsler

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