Die drei Fragezeichen: „Gutes erscheint uns langweilig“
SUPER NACHRICHTEN NutzerInnen der Zeit-Online-App bekommen jetzt täglich eine positive Meldung aufs Handy
taz: Herr Wegner, die erste „Eilmeldung“ war gestern: „Welt erneut besser geworden: Deutsche sind nett und umarmen sich zur Begrüßung“. Kommen sich die UserInnen da nicht veräppelt vor?
Jochen Wegner: Unsere User sind spielfreudig und geistig beweglich. Wir haben schon vorher oft irritierende Inhalte gepusht und festgestellt, dass die Leser das lieben. Wir wollen aber nicht die ganze Zeit auf der lustig-ironischen Ebene bleiben. Unsere nächsten positiven Meldungen werden seriöser sein.
Wie kam es zu der Idee?
Durch die sich überschlagenden schlimmen Lagen der vergangenen Wochen haben wir viel über Nachrichtenproduktion und -rezeption nachgedacht. Ganz allgemein wird an digitalen Medien kritisiert, dass die Berichterstattung etwas Atemloses hat und schlechte Nachricht auf schlechte Nachricht folgt.
Dabei wird die Welt objektiv besser: Armut und Analphabetismus nehmen weltweit ab, die Kindersterblichkeit sinkt, die Lebenserwartung steigt, es gab noch nie so wenige Kriegsopfer. Unser subjektiver Eindruck aber ist anders, und das liegt auch an unserer Berichterstattung. Wir wollen nun ausprobieren, was passiert, wenn wir auch mal gute Nachrichten als Eilmeldung pushen. Die ersten vierundzwanzig Stunden ist: Gute Nachrichten sind derzeit gar nicht so einfach zu finden. Wir müssen uns da richtig anstrengen.
Warum wollen Sie unbedingt das Positive herausstellen? Warum akzeptieren Sie nicht Ihre Rolle als Überbringer schlechter Nachrichten?
Das ist ja nun nicht unsere gottgegebene Rolle. Aber vielleicht sind Journalisten durch ihre Ausbildung so geprägt, vielleicht erscheint uns Gutes langweilig, wir suchen lieber nach Missständen. Das heißt, man muss sich dazu zwingen, auch mal positive Entwicklungen aufzugreifen und eilig zu verbreiten. INTERVIEW pwe
Jochen Wegner (46) ist Chefredakteur von Zeit Online
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen