Geht’s noch?: Justin Trudeau
Der kanadische Premier ist Posterboy und Welthoffnungsträger. Dabei bleiben seine infamen Methoden fast unbemerkt
Bislang fand das Weltsozialforum in Schwellen- oder Entwicklungsländern statt. In diesem Jahr wird die am Sonntag zu Ende gehende Veranstaltung von Montreal beherbergt, der lässigsten Metropole Kanadas. Dessen Premierminister heißt Justin Trudeau: Posterboy, Frauenschwarm, coole Socke und Welthoffnungsträger. Er treibt Yoga und kann ohne Stützräder Fahrrad fahren, wobei er in einem fort Biogras kifft. In seinem Kabinett herrscht Geschlechterparität.
„So einen Präsidenten wollen wir auch haben“, jubelte die Brigitte – und im Subtext: Und nicht so eine Mischung aus Bernd das Brot, Martin Luther und Egon Krenz. Umso mehr, da Trudeau nicht nur ein Softie sein soll, nein, er boxt, hat den Bizeps tätowiert und soll als Türsteher gearbeitet haben.
Als Türsteher? Ein megametrosexueller Mann, der auf der Skala von weich bis hart jede Facette bedient, das Eier tragende Wollmilchschwein? No way. Das existiert nur als unerfüllbares Anforderungsprofil in den Kontaktanzeigen suchender Damen. Als Türsteher einer Stoffhäschenklinik vielleicht. Oder die weiche Seite seines Images ist erfunden, denn Hunderten Teilnehmern aus Asien und Afrika wurden die Einreisevisa verweigert. Schließlich weiß man ja, dass der Afrikaner uns die Häppchen wegfrisst.
Und der kanadische Ureinwohner ebenfalls. Bei seiner Amtsübernahme hatte Trudeau noch langfristig eine Verbesserung ihrer Lebensumstände versprochen. Wohl gar zu langfristig, um die kürzliche Selbstmordwelle im subarktischen Attawapiskat zu verhindern, auf der zahlreiche jugendliche Aborigines aus der Hölle aus Dunkelheit, Armut und Chancenlosigkeit hinüber in die ewigen Jagdgründe surften. Und schon hat das Weltsozialforum wieder ein Thema mehr.
Jetzt erst zeigt Trudeau uns sein wahres Gesicht. Das ist weit infamer als Putin und Erdoğan, zwei ehrliche Arschlöcher mit offenem Visier. Wer mit nacktem Oberkörper im Jagdbomber junge Pinguine auf ihrem Flug ins Sommerquartier begleitet, von dem weiß man auf Anhieb: Obacht – mit diesem Burschen ist nicht zu spaßen. Viel fieser ist da dieses Hintenrum. Und Hand aufs Herz: Liberale Politiker, Diktatoren, Markgrafen sind letztlich alle doch nur verschiedene Saiten ein und derselben Arschgeige.
Uli Hannemann
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