Die Wahrheit: Gelehrige Äffchen

Taktische Intelligenz ist bei Primaten tierisch verbreitet. Ob Bonobo oder Storch, Apfel oder Birne – sie besitzen alle erstaunliche Fähigkeiten.

Ein Affe hält eine Milchflasche für einen kleinen Tieger

Wie süß! Und was für ein Vorbild für andere Primaten: Schimpanse Do Do füttert Tigerbaby Aorn Foto: Reuters

Der Beitrag ist auf „MaxAnimal“ zu sehen, einer dieser Tiervideo-Plattformen, die resignierten Menschen als Zerstreuung für die letzten Lebensjahrzehnte dienen: Ein Schimpanse namens Kanzi hat gelernt, Nahrung über dem offenen Feuer zu rösten. Man sieht den Bonobo erst Zweige sammeln, schichten und anzünden, bevor er Marshmallows auf einen Ast spießt und über die Flamme hält.

Mein Güte, das beherrscht doch schon ein Pfadfinder! Dabei gibt es so viele Beispiele für Primaten, die, speziell in Gefangenschaft, noch ganz andere Dinge zu Wege bringen.

Mario kann kicken

So erlernte das junge Männchen Mario im Stuttgarter Zoo nicht nur verblüffend geschickt den Umgang mit einem Lederfußball, sondern ließ sich nach jahrelangem Bemühen der Pfleger tatsächlich auch ein paar mannschaftstaktische Grundlagen ankonditionieren. Das kam beim Publikum so gut an, dass der großgewachsene Zwergschimpanse vom Bundestrainer sogar zur EM 2016 mitgenommen wurde, wo er zur Freude aller Tier- und Fußballfreunde immerhin zwei Treffer erzielte.

Doch das ist noch gar nichts. Das freilebende Bonobo-Weibchen Wladimir kann nämlich nicht nur auf Anhieb verschiedene Leckereien an der Form ihres Behältnisses erkennen, sondern auch recht behände Journalisten ermorden sowie in einer konzertierten Gewaltaktion ein Stück vom Revier der Nachbargruppe abtrennen, um, wie man seine aggressiven Laute deutet, den Zugang zu seiner „Schwarzmeerflotte“ zu erleichtern. Das sind schon klare Ansätze zu einem – natürlich äußerst primitiven – „taktischen Plan“, wie wir Menschen das gezielte Vor­gehen einordnen würden.

Fast scheint es, als seien den Möglichkeiten eines Affenhirns kaum Grenzen gesetzt. Nach übereinstimmenden Aussagen langjähriger Besucher des Londoner Zoos wurde der 49-jährige Bonobo David dabei beobachtet, wie er in seiner Gruppe eine zwar rudimentäre, doch in der Absicht eindeutig als solche zu erkennende Art „Abstimmung“ darüber inszenierte, ob man geschlossen aus dem Tierpark ausbrechen solle. Während die meisten seiner Gefährten daraufhin im ungewohnten Straßenverkehr der Metropole verendeten, blieb er selber schlau im sicheren Käfig sitzen. Neben dieser überraschend komplex entwickelten Fähigkeit zur Gruppenführung, vermag das gelehrige Äffchen auch mit einer Hand an einem Ast zu hängen und gleichzeitig mit den Füßen eine Banane zu schälen.

Der Gemeine Schimpanse Tayyip aus dem Zoo in Ankara beherrscht wiederum den Trick, mithilfe zweier selbst zusammengeflochtener und so verlängerter Grashalme schmackhafte Insekten aus einem besonders tiefen Astloch zu angeln. Überdies gelingt ihm noch das Kunststück, einen Putsch von Beta-Männchen, über den er vorab heimlich informiert war, instinktiv als Vorwand zu nutzen, um sämtliche Konkurrenten in der Gruppe mithilfe der instrumentalisierten Wärter zu beseitigen. Eine solche, bewusst manipulativ zu nennende Verhaltensweise ist bis dahin nur bei Kolkraben beobachtet worden.

Selbst Obst wie die Birne Helene ist zu den erstaunlichsten Leistungen fähig

Helene kann singen

Denn Primaten sind natürlich nicht die einzigen hochintelligenten Mehrzeller. Affen, Hunde, Katzen, Meeressäuger und auch Vögel sind immer wieder zu den erstaunlichsten Leistungen fähig. Und selbst Obst: Die begabte Birne Helene (Sorte „Kaiser Alexander“) ging nicht nur mit traumwandlerischer Sicherheit ganz alleine den Weg von der Knospe über die Blüte bis hin zur vollendeten Frucht, sondern arbeitete mit Hilfe eines ehrgeizigen Gärtners nebenher auch noch an ihrer Gesangskarriere. Sie ist bis heute das einzige Kernobstgewächs, das mit seinen Alben vielfach Platin gewinnen konnte (zum Vergleich: Ein Holger Apfel brachte es gerade mal zum Bundesvorsitzenden der NPD).

Trotz all dieser unglaublichen Erfolgsstorys bleiben Rückschläge nicht aus. Das weit über den Berliner Zoo hinaus bekannte sprechende Storchenweibchen Beatrix hat seit seiner Rückkehr aus Afrika leider einen Großteil seines Sprechvermögens eingebüßt. Ornithologen vermuten, dass der Vogel in seinem Winterdomizil von Schwarzstörchen gemobbt wurde und deshalb nur noch ein rudimentäres Hetzvokabular zurückbehalten hat.

Mit solchen Unwägbarkeiten muss der Biologe immer rechnen, umso mehr, wenn er es mit hochentwickelten Lebewesen zu tun hat. Doch dass nicht alles mit Naturwissenschaften zu erfassen ist, macht Gottes Schöpfung ja eben gerade so wunderbar.

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kari

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